Der König Der Komödianten: Historischer Roman
nur Stümper am Werk. Bruder Hieronimo will bald auf Reisen gehen und nach einem besseren Koch für das Kloster Ausschau halten.« Er schluckte und sah mich mit nassen Augen an. »Vielleicht kommst du ja wieder, wenn das Essen hier besser ist.«
»Warum nicht«, behauptete ich großmütig.Meine nächtliche Flucht ging reibungslos vonstatten. Iseppo besorgte mir unaufgefordert eine Laterne und Wegzehrung und erklärte mir, wo er eine Leiter an die Mauer gelehnt hatte, damit ich im Schutz der Dunkelheit unauffällig hinübersteigen konnte.
Meine nächtliche Flucht ging reibungslos vonstatten. Iseppo besorgte mir unaufgefordert eine Laterne und Wegzehrung und erklärte mir, wo er eine Leiter an die Mauer gelehnt hatte, damit ich im Schutz der Dunkelheit unauffällig hinübersteigen konnte.
Als ich mich von ihm verabschiedete, kamen ihm abermals die Tränen. Er sagte, er werde mich schrecklich vermissen und ob ich vielleicht ähnlich fühlte. Als ich irgendetwas murmelte, bestand er darauf, dass ich als Unterpfand seiner tiefen Freundschaft das Kissen mitnahm. Ich klemmte es mir unter den Arm, schulterte mein Bündel und kletterte über die Klostermauer in die Freiheit. Mir war danach, sofort loszurennen, doch ich hatte noch die Worte des Baders im Ohr. Zudem war es stockfinster, sodass es trotz der mitgeführten Laterne galt, auf den Weg zu achten. Die Geräusche der Nacht machten mich schaudern, doch nicht etwa, weil ich mich vor dem Ruf von Käuzen oder dem Knirschen im Unterholz geängstigt hätte, sondern weil ich erfüllt war von dem verwegenen Gefühl, in ein unglaubliches Abenteuer zu ziehen. Eine ganze Welt wartete darauf, dass ich sie entdeckte und erkundete!
Im ersten Licht der heraufziehenden Morgenröte erblickte ich die gewaltigen Stadtmauern von Padua.
5 Ovid, Amores (Elegien der Liebe), Liber Primus 1 II
6 Ovid, Amores (Elegien der Liebe), Liber Primus 1 V
Teil 3: Padua, April 1594
Verdreckt, müde, mit wunden Füßen und schmerzendem rechtem Bein stolperte ich einer Gruppe von Markthändlern hinterher, die mit ihren Karren zu einem der Stadttore unterwegs waren. Auf diesem Wege gelangte ich in die Stadt, womit sich die langatmigen Erklärungen, die ich mir zurechtgelegt hatte, um hinter die stark bewehrten Mauern zu gelangen, erübrigten. Kein Stadtwächter wollte meinen Namen wissen, noch fragte irgendwer, was mein Begehr sei. Dafür bat mich einer der Bauern, ein schnaufender, schwitzender Bursche, der Kohlköpfe beförderte, um Hilfe, da sich die vordere Achse seines Leiterwagens verzogen habe und sein Esel deswegen bereits völlig entkräftet sei. Ich warf mein Kissen und mein Bündel auf den Karren und unterstützte den armen Esel, indem ich von hinten den Wagen anschob, wofür mir der Bauer nach dem Durchschreiten des Stadttores mit einem von Herzen kommenden »Gott segne dich, du frommer Mönch!« und einem enormen Kohlkopf dankte.
Den Kohl unter dem einen und das Kissen unter dem anderen Arm sowie über der Schulter das Bündel mit meinem restlichen Besitz – dieser bestand nach dem Verzehren des Proviants nur mehr aus dem dicken Papierstapel, den ich mitsamt dem Schreibzeug aus dem Scriptorium hatte mitgehen lassen –, betrat ich die Stadt Padua und bekam vor lauter Staunen den Mund nicht mehr zu. War mir aus der Ferne schon dieStadtmauer riesig erschienen, so waren es die Gebäude, denen ich mich nun gegenübersah, nicht minder. Alles war noch viel beeindruckender, als ich es mir nach Paulinas Schilderungen vorgestellt hatte.
Eine breite, vollständig gepflasterte Straße führte vorbei an prächtigen Häusern, deren Fassaden mit Loggien und kunstvollen Marmorverzierungen versehen waren. Mein Kopf drehte sich wie von Seilen gezogen hin und her, damit mir nichts von diesen erstaunlichen Baulichkeiten entging. Stumm blieb ich stehen, als ich schließlich einen gewaltigen Platz erreichte, der von noch größeren Häusern umrahmt war, hoch aufragende, von Arkadengängen gesäumte Paläste, manche so enorm, dass das Kirchlein in unserem Dorf mitsamt unserem Gutshaus drei Mal hineingepasst hätte. Allein die Vorstellung, dass es genug Menschen gab, um solche ungeheuren Bauten zu bewohnen, war schwindelerregend.
Tatsächlich wimmelte es in der Stadt nur so von Menschen. Es waren so viele, wie ich noch nie im Leben auf einmal gesehen hatte. Dabei war es noch früh am Tage. Erst kurz vor dem Einzug in die Stadt hatte ich das Primläuten gehört, doch die rumpelnden Karren, hinter denen ich
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