Der König Der Komödianten: Historischer Roman
dass man mich meuchlings aus dem Weg räumte, um mich als Orgel wiederauferstehen zu lassen. Bevor der Prior und der unheimliche Fremde das Mordkomplott, das sie gerade in freier Natur wandelnd schmiedeten, verwirklichen konnten, würde ich über alle Berge sein.
Gern hätte ich meinen Dolch angelegt, um mich im Falle eines Angriffs verteidigen zu können, doch den hatte man mir mitsamt den übrigen Habseligkeiten, die ich von zu Hause mitgebracht hatte, bei der Investitur weggenommen und irgendwo eingelagert. Gegeben hatten sie mir dafür das, was ein Mönch brauchte: ein Untergewand, dazu die Kutte mit einem Strick als Gürtel und derbe Sandalen. Für kältere Tage gab es Holzschuhe und dicke wollene Strümpfe sowie als Übergewand ein Wams mit Kapuze. Hin und wieder erhielten wir frisch gewaschenes Unterzeug, meist dann, wenn der Gestank des getragenen bereits betäubende Wirkung entfaltete.
Das also war momentan mein gesamter Besitz, und er gehörte nicht einmal mir, sondern dem Kloster. Was mich aber nicht daran hindern würde, damit zu verschwinden, denn schließlich konnte ich mich nicht nackt in Sicherheit bringen.
Da ich das Kloster bei Tage nicht unbemerkt verlassen konnte, beschloss ich, mich möglichst bald nach Einbruch der Dunkelheit auf den Weg zu machen, darauf bauend, dass ich bis dahin unbeschadet blieb, solange ich die Zelle nicht verließ. Bruder Ottone würde mich nicht vermissen, sicherlich brauchte er noch Stunden, um sich von den Geißelhieben zuerholen. Falls jemand nach mir schickte, würde ich Schmerzen im Bein vorschützen.
Doch niemand versuchte, mich aus der Zelle zu locken; offenbar wurde ich von keiner Menschenseele vermisst. Ich spürte die Hoffnung aufkeimen, dass ich mich vielleicht irrte und niemand mir Böses wollte. Dann jedoch dämmerte es mir, dass auch Mörder in der Regel einen geeigneten Zeitpunkt für ihr Vorhaben abpassten – in diesem Falle ebenfalls die Dunkelheit, wenn alle Zeugen schliefen.
Mit äußerster Konzentration sperrte ich die Ohren auf, um nichts zu überhören, das auf einen sich möglicherweise anschleichenden Attentäter hindeutete. Als wenig später auf dem Gang Schritte zu vernehmen waren, packte ich den Kerzenhalter und baute mich neben der Tür auf, doch es war nur Bruder Iseppo, der sich erschrocken duckte, als er mich mit dem erhobenen Kerzenhalter sah. »Ich habe nicht hingeschaut!«, versicherte er hastig. »Oder wenn doch, dann höchstens einen winzigen Augenblick!«
»Hä? Wovon sprichst du?«
»Als du heute Morgen deine Schiene abgenommen hast«, sagte er mit glühenden Wangen.
»Was soll da gewesen sein?«
»Du … ähm, bist auf und ab gegangen. Nackt.«
»Ach so.« Ich überlegte, ob ich damit sein Schamgefühl verletzt hatte. »Tut mir leid.«
»Nicht doch. Was hast du mit dem Kerzenhalter vor?«
»Oh, nichts Besonderes.« Ich lachte halbherzig. »Es sei denn, du versuchst, mich umzubringen.«
Mit großen Augen blickte er mich an. »Warum sollte ich das tun?«
Achselzuckend stellte ich den Kerzenhalter weg. »Hier gibt es ein paar Leute, denen es gelegen käme, wenn ich ins Gras beiße.«
Offenes Entsetzen zeigte sich in seiner Miene, und er ließ nicht locker, bis ich ihm Wort für Wort alles erzählt hatte.
»Und das ist auch der Grund, warum ich noch heute Nacht fliehen muss«, schloss ich.
»Oh, mein armer, armer Junge! Was wollen sie dir antun! Dir frischem, jungem Blut!« Mit Tränen in den Augen umarmte er mich. »Lass mich mit dir kommen und dein Gefährte und Beschützer in bitterer Not sein!«
Sofort hatte ich eine Vision, in der wir beide im dunklen Wald kampierten, Iseppo neben mir, den Kopf auf ein Lavendelkissen gebettet, mich ein ums andere Mal fragend, ob ich mich auch so elend und verängstigt und durchgefroren fühlte wie er. Entschieden löste ich mich aus der Umarmung.
»Du wärst ein echter Freund, wenn du meine Flucht für eine Weile vertuschst.«
»Wie denn?«
»Indem du morgen früh eine Ausrede erfindest, wenn jemand wissen will, wo ich bin.«
»Ich könnte sagen, du sitzt mit Durchfall auf dem Abtritt!«
»Damit wärst du mir eine große Hilfe!«
»Wo willst du denn hin?«
Ich überlegte kurz. »Nach Hause. Ich habe solche Sehnsucht nach unserem Landgut und dem leckeren Essen, das es dort immer gab!«
Iseppo seufzte. »Das kann ich verstehen. Früher war die Kost hier genießbarer, denn einer der Brüder war ein guter Koch. Doch leider starb er letztes Jahr, und seither sind in der Küche
Weitere Kostenlose Bücher