Der König Der Komödianten: Historischer Roman
behauptet, ich hätte sie ihm verkauft!«
»Das behaupte ich nicht nur, du hast es getan. Heute Morgen. Unter Zeugen.«
Mir schwante Übles. Der Fettsack hätte nicht so selbstgefällig dreingeschaut, würde er sich nicht im Recht wähnen.
»Diese Zeugen scheinen mir eher Gefolgsleute von Euch zu sein«, sagte ich.
»Ja nun, das sind sie wohl, aber Zeugen sind sie dennoch. Außerdem war auch ein Notar zugegen, der zufällig gerade des Wegs kam. Ich kann ihn jederzeit herholen lassen, damit er alles bestätigt. Und dazu ein paar Büttel, wenn der Alte weiterhin die Herausgabe verweigert.«
»Aber die Gespanne sind sein ganzer Besitz!«, sagte ich. »Er benötigt sie für sein Theater!«
»Er sagte, diese Narretei wolle er aufgeben«, erklärte der Fettsack. »Und zufällig brauche ich gerade dringend zweiordentliche Gespanne. Der Kauf wird nicht rückgängig gemacht, auch wenn es ihn reut. Pacta sunt servanda .« 19
Keine Spur von Bedauern zeigte sich in seinem feisten Gesicht, auch nicht, als Baldassarre wie unter einem Schlag wankte und sich ans Herz griff.
Die anderen kamen aus dem Haus, außer Bernardo, der wohl noch zu verkatert war, um aufzustehen. Sein Fehlen war besonders ärgerlich, weil er der Einzige war, der vernünftig bewaffnet war und obendrein tyrannisch genug veranlagt, um dem Fettsack dessen unerhörtes Vorhaben auszureden. Cipriano hingegen wirkte, man konnte es nicht anders sagen, in seinem himmelblauen Hemd alles andere als kämpferisch, und die Frauen konnte man ohnehin getrost außen vor lassen.
Franceschina stand bleich und erschrocken neben Caterina, deren Augen von Kummer umflort waren. Beide sahen sie aus, als hätten sie soeben vom Tod eines lieben Menschen erfahren.
Elena, die sich mit steinerner Miene den Sachverhalt angehört hatte, wandte sich an ihren Großvater. »Wie viel hat dieser Kaufmann dir gezahlt?«
Der Alte nannte eine Summe, und sie lachte ungläubig auf. »Für zwei Wagen und vier gute Zugpferde? Das ist ein Witz, oder? Dafür kann er woanders höchstens einen Eselskarren kaufen!«
Der Fettsack mischte sich ein. »Was kann ich dafür, dass der Alte mein Angebot angenommen hat? Ich habe den Notar gefragt, es ist alles rechtsgültig. Das Pfand habe ich in der Sakristei der Basilika hinterlegt, wo zwar niemand Bescheid wusste, aber Ihr es Euch holen könnt. Der Kaufpreis wurde entrichtet, also bekomme ich jetzt die Gespanne!« Er wandte sich an einen der vierschrötigen Kerle, die soeben mit den Pferden aus dem Stall traten. »Lauf rasch zu Messèr Barbarigo, dem Notar. Ermöge sofort mitkommen, um zur Durchsetzung meines Anspruchs seine rechtliche Autorität einzubringen.«
Auch das noch! Dieser windige Advokat hatte seine Hände im Spiel! Dass dabei nur Übles herauskam, hätte ich Baldassarre vorher sagen können!
Und überhaupt – was hatte der Alte sich nur gedacht, seinen wichtigsten Besitz zu verkaufen, und das für eine derart läppische Summe!
In ohnmächtiger Empörung ballte ich die Fäuste, als die Gehilfen des Fettsacks auf sein Geheiß die Pferde anschirrten und anschließend kurzerhand alles, was sich noch auf den Ladeflächen der Wagen befand, aufs Pflaster warfen. Viel war es nicht, da wir die Kisten mit den Requisiten und Kostümen zum Schutz gegen Diebstahl in die Schlafkammern getragen hatten, doch als ich die zusammengerollten Kulissen, mein Lavendelkissen und das Tau für den Seiltanz so rücksichtslos hingeworfen auf dem Boden liegen sah, wuchs meine Wut ins Unermessliche. Unwillkürlich griff ich nach Aldos Dolch, und hätte der Fettsack in diesem Moment noch eine einzige herablassende Bemerkung gemacht, wäre womöglich Blut geflossen.
»Marco, nicht«, sagte Elena leise. Ihr Gesicht war weiß, in ihren Augen stand Verzweiflung.
Mit einem Mal plagten mich Schuldgefühle. Warum war mir nicht schon in der Schlafkammer aufgefallen, dass Baldassarre viel zu lange wegblieb? Hätte ich mich nur bedachtsamer verhalten, wäre all das gar nicht geschehen!
Doch was konnte ich nun noch ändern? Die Existenz der Theatertruppe war ruiniert, und ob ich nun dafür mitverantwortlich war oder nicht – ich konnte nicht verweilen, um mit ihnen gemeinsam dieses Jammertal zu durchschreiten, denn damit würde ich mich unweigerlich um Kopf und Kragen bringen. Es hatte keinen Sinn, länger zu warten, jeden Moment konnte der Notar aufkreuzen.
Eilig hob ich mein Kissen auf, dann ging ich ins Haus undholte meinen Reisesack, wobei mir auffiel, dass Bernardo
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