Der König Der Komödianten: Historischer Roman
»Wer ist das, meine Liebe? Belästigt er dich?«
Dasselbe hätte ich ihn fragen können. Eine ungute Ahnung beschlich mich, als ich den Kerl näher ansah. Er war ekelhaft elegant gekleidet und trug obendrein eine Kette mit einem protzigen Amtswappen auf der Brust. Seine Schläfen waren leicht ergraut, was die Vornehmheit seiner Erscheinung und den hochmütigen Gesichtsausdruck noch unterstrich.
»Das ist bloß ein Junge, der eben vorbeikam«, sagte Caterina. »Und er belästigt mich nicht. Er hat mir nur mein Tuch aufgehoben.« Lächelnd nahm sie mir das Tuch weg und befestigte es an ihrem Gürtel.
»Du ziehst die Verehrer wohl überall auf dich.« Der Mann ergriff ihre Hand und küsste sie, und zwar auf die Fingerspitzen. Mit dem Küssen hatte ich nicht viel Erfahrung – genauer gesagt gar keine, abgesehen von den Schmatzern auf die Wange, die mir Paulina gelegentlich hatte angedeihen lassen –, doch ich hätte schwören mögen, dass höfliche Handküsse nicht auf Fingerspitzen gehörten.
Caterinas Wangen hatten sich erkennbar gerötet, was mich in der Überzeugung bestärkte, dass dieser Bursche sich unzulässige Freiheiten herausnahm. Sofort waren die Begegnungen in den Badehäusern vergessen, ich war mehr als bereit, statt meiner nun Caterinas Ehre zu verteidigen.
Doch Caterina kam mir zuvor. Sie entzog dem Mann ihre Hand und blickte züchtig zu Boden. »Ich muss nun gehen, werter Herr.«
»Warum so förmlich, meine Liebe?«
Drohend trat ich einen Schritt vor. »Wenn sie sagt, dass sie gehen will, dann geht sie auch!«
Der Mann lächelte überrascht. »Ah, ein selbst ernannter Beschützer, was? Doch wohl keiner mit besseren Rechten auf dich, oder?«
»Nicht doch!«, sagte Caterina. Sie lächelte strahlend. Der Mann ging achselzuckend davon, blickte aber über die Schulter zurück und zwinkerte ihr zu, was mich fast dazu brachte, ihm nachzulaufen und ihn für sein Benehmen zum Kampf zu fordern.
Caterina legte mir die Hand auf den Arm. »Gut, dass du da bist«, sagte sie fröhlich. »Du kannst mich zurückbegleiten.«
Ich deutete eine Verbeugung an. »Euer Diener, Madonna .« 18
»Ach, Marco, lass doch die albernen Artigkeiten beiseite. Wenn du so mit mir redest, komme ich mir vor wie deine Mutter. Ich bin genauso alt wie du, also wirklich. Sag du und Caterina .«
Ich übte es im Stillen mindestens ein Dutzend Mal hintereinander, bevor ich wagte, es erstmalig anzuwenden. »Wer war der Mann, Caterina?«
Sie schritt in königlicher Haltung neben mir her, doch ich hatte den Eindruck, dass sie bei meiner Frage ein wenig aus dem Takt kam. »Das war Messèr Rizzo. Er ist ein wichtiger Mann im Stadtparlament.«
»Du meinst, er ist derjenige, der für die Spielerlaubnis zuständig ist?«
»Ganz recht. Ohne Rizzo keine Bühne auf der Piazza, ohne Bühne keine Aufführung, ohne Aufführung kein Geld. Wir müssten binnen drei Tagen betteln gehen, wenn er nicht wäre.«
Widerstreitende Regungen erfüllten mich: Hass auf Rizzo, der die Notlage einer hilflosen Frau ausnutzte, um sich als Gönner aufspielen zu können, Mitleid mit Caterina, die sich von diesem Widerling die Finger küssen lassen musste, um ihn gewogen zu stimmen, aber auch Wut auf Bernardo, weil er als ihr Gatte nicht Manns genug war, dergleichen zu unterbinden. Auf mich selbst war ich ebenfalls wütend, weil ich es versäumt hatte, Rizzo in die Schranken zu weisen, und leid tat ich mir auch, weil ich wie alle anderen Truppenmitglieder Caterinas bedürftiges Schicksal teilte.
Doch dann fiel mir wieder ein, dass ich so schnell wie möglich aus der Stadt verschwinden wollte. Was danach hier geschah, war nicht länger mein Problem, oder?
Kaum hatte ich das gedacht, regte sich mein Gewissen. Was wurde aus den anderen, wenn ich einfach fortlief ? Was aus Caterina? Und wenn nun Elena gar recht damit hatte, dass es das Ende der Incomparabili wäre, wenn es nicht bald ein neues Canovaccio gab?
Aber wenn ich hierblieb, wäre ich bald tot, folglich konnte ich genauso gut woanders sein. Eine Flucht ließ sich nicht umgehen, mein Entschluss stand fest!
Caterina berührte meinen Arm. »Du wirst doch Bernardo nichts von dieser Begegnung mit Messèr Rizzo erzählen, oder? Ich traf ihn rein zufällig, weißt du. Er ist sehr freundlich und redet als Kunstkenner gern über das Theater, und da würde es mir ungehörig vorkommen, ihn einfach stehen zu lassen. Bernardo aber regt sich leicht darüber auf und tut dann unüberlegte Dinge.«
Ich blieb ruckartig
Weitere Kostenlose Bücher