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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Betrug sich nicht auszahlen!«
    »Warte, die Geschichte geht noch weiter. Die Betrügerin gab nicht so schnell auf, nachdem sie sich immerhin seit Monaten der Mühe unterworfen hatte, ihrem Gatten vorzuspielen, dass sie ihm bald ein Kind gebären werde. Mit dem Mut der Verzweiflung und ungeachtet der grassierenden Seuche machte sie sich auf die Suche nach einer anderen passenden Mutter. In einem Pesthaus wurde sie schließlich fündig.« Rodolfo breitete die schaufelartigen Hände aus. »Man muss dazu wissen, dass sich damals ganz Venedig in einem Ausnahmezustand befand. Eine grausamere Krankheit als die Pest kann man sich nicht vorstellen, denn sie verschont niemanden, weder Arm noch Reich, Alt oder Jung. Sie rafft binnen Tagen Hunderte, ja sogar Tausende dahin, und wen sie nicht tötet, dem raubt sie oft jede Moral. Mörder und anderes Gelichter machen allenthalben die Gassen unsicher, in unzähligen Häusern liegen die Menschen sterbend danieder, überall tönt Weinen und Wehklagen, und von früh bis spät bergen die Pestboote die Toten. In solchen Zeiten, da es niemanden mehr schert, wie viele zugrunde gehen, gerät die Menschlichkeit oft aus den Fugen. Und damals, mitten in dieser übelsten aller Zeiten, ging die Betrügerin auf ihrer schändlichen Suche in das Haus einer gebärenden Frau. Diese war ganz allein und hilflos, denn ihr Gatte war tags zuvor an der Pest gestorben und das Gesinde aus Angst vor Ansteckung fortgelaufen. Das nutzte die Kindsräuberin aus, indem sie vorgab, helfen zu wollen. Sie wartete am Bett der Kreißenden, bis die Frau entbunden hatte. Es war der gewünschte Knabe.«
    Ich war erschüttert. »Und sie stahl ihn, um ihn als ihren eigenen Sohn auszugeben! Lieber Himmel! All das hat sich wirklich so zugetragen?«
    »Und nicht nur das. Die Betrügerin erstach die Mutter des Knaben, damit niemand mehr ihre Untat bezeugen konnte. Genauer, sie brachte ihr einen tödlichen Stich bei, doch lebte das Opfer noch eine kleine Weile, gerade lange genug, um einem weiteren Knaben das Leben zu schenken. Denn die Mörderin hatte übersehen, dass noch ein zweites Kind im Mutterleib war und auf die Welt drängte.«
    Ein zweites Kind! Zwillinge! Nun war mir auch klar, wie Rodolfo auf die Menaechmi kam!
    »Was geschah dann?«, fragte ich atemlos.
    »Sicherlich hätte das zweite Kind nicht lange durchgehalten im Arm seiner toten Mutter, doch wie es ein glücklicher Zufall fügte, kam bald darauf ein Verwandter von einer langen Reise zurück und fand die Tote in ihrem Blut sowie den neugeborenen Knaben. Und er nahm sich des Kindes an.« Rodolfo hielt inne.
    »Das ist … unglaublich!«, sagte ich. Was für ein Stoff ! Mir wurde ganz schwindlig bei dem Gedanken, welche Verstrickungen im späteren Leben der Knaben aus alledem folgen konnten. Mochte die Vorgeschichte auch tragisch sein – das komische Potenzial für die Gegenwart war kaum zu übertreffen!
    »Seither kann ich nicht aufhören, darüber nachzudenken«, sagte Rodolfo. »Ich habe auch schon mit Henry darüber geredet. Er hält es für eine außergewöhnlich gute Ausgangsidee für eine Komödie im Stil der Menaechmi und will auch seinem Freund Will davon erzählen. Er ist der Meinung, dass dieses Zwillingsthema unbedingt neuer, zeitgemäßer Dramatisierung bedürfe. Gleichwohl frage ich mich, wieso es nur ein englischer Dichter für sich verwenden soll. Warum nicht ein aufstrebender junger Landsmann von mir?« Zwischen seinem wuchernden schwarzen Bart blitzte sein kurzes Lächeln auf, und ich sah, dass er eine Lücke zwischen den Vorderzähnen hatte, was ihn für einen Moment wie einen spitzbübischen Gnom aussehen ließ.
    Mit einem Mal erschien mir die Geschichte rund um den jüdischen Wucherer fade und langweilig. Wen interessierteschon die Verpfändung eines Zehs! Was war das gegen ein Thema, das schon den Meister aller Komödiendichter vor über tausend Jahren zu einer seiner besten Geschichten inspiriert hatte! Hurtig sammelten sich in meinem Kopf Bilder von allen möglichen komischen Verwicklungen, sie summten herum wie Hummeln im blühenden Klee.
    »Du siehst aus, als hättest du gerade eine Offenbarung erlebt«, meinte Rodolfo.
    O ja, das hatte ich, gar keine Frage. Ich war förmlich durchdrungen von der Erkenntnis, wohin mein Weg mich ab sofort führte, nicht nur geografisch, sondern vor allem auch künstlerisch. Ich würde die beste Verwechslungskomödie schreiben, die die Welt je gesehen hatte!

    Neues Canovaccio von Marco Ziani
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