Der König Der Komödianten: Historischer Roman
traf bei seiner Ankunft auf den soeben gestrandeten Leandro, und da dieser nicht viel über Venedig wusste, ließ er es sich von dem altgedienten Kämpen erklären.
Der Sàndolo krängte im Wellengang, als zwei Männer Segel hissten, während zwei andere es mittels Rudern vom Landweg bewegten. Danach nahm das Boot rasch Fahrt auf, denn eine steife Brise füllte die beiden Segel und trieb das Gefährt in beachtlicher Geschwindigkeit über das Wasser. Salzige Gischt spritzte auf und traf meine Lippen, und ich leckte sie ab und dachte: So schmeckt die Lagune!
weg bewegten. Danach nahm das Boot rasch Fahrt auf, denn eine steife Brise füllte die beiden Segel und trieb das Gefährt in beachtlicher Geschwindigkeit über das Wasser. Salzige Gischt spritzte auf und traf meine Lippen, und ich leckte sie ab und dachte: So schmeckt die Lagune!
Dann hatte das Boot den Landzipfel passiert, der jenseits des Brenta-Kanals ein Stück weit ins Meer ragte, und auch ohne, dass mich jemand darauf hinweisen musste, sah ich vor mir Venedig liegen.
Teil 5: Venedig, April 1594
Zuerst waren es nur die Umrisse einer Stadt, gesprenkelt mit rötlichen Tupfen, die sich beim Näherkommen in ein Meer von Häusern verwandelten, aus denen wiederum ungezählte Türme emporragten.
Dem Stand der Sonne zufolge fuhren wir von Westen her auf Venedig zu. Vor dem Segelboot schien sich die Stadt in zwei Hälften zu teilen, und als wir den breiten Kanal erreichten, der sich vor uns auftat, fragte Elena: »Ist das der Canal Grande?«
»Nein, der Canale della Giudecca.« Henry wies auf die Landmasse zu unserer Rechten. »Das ist die Giudecca. Sie ist den übrigen Sestieri vorgelagert, gehört aber zur Stadt.« Er deutete auf das Ufer zur Linken, das eine scheinbar endlos lange, schnurgerade Promenade zum Wasser hin abgrenzte. »Das ist Dorsoduro, ein weiterer Stadtteil.«
Ich hatte ihn auch noch etwas fragen wollen, doch mir war entfallen, was.
Mit offenem Mund saß ich da und konnte nichts weiter tun als staunen. War mir schon Padua über die Maßen beeindruckend erschienen, so war ich von Venedig förmlich erschlagen. An den Ufern der breiten Wasserstraße erhoben sich dicht an dicht Häuser aus solidem Stein, und alle paar Dutzend Schritte, so kam es mir jedenfalls vor, ragte ein hoher Kirchturm heraus. Die Menschen dieser Stadt mussten wahrhaft begütert sein!
Der Schiffsverkehr war beängstigend dicht, ständig kreuzten Boote unseren Weg, und einmal glitt sogar eine große Galeere vorüber, die Ruder rhythmisch das Wasser durchpflügend. Im Laufgang sah man den Trommler stehen, der den Galeoten den Takt vorgab.
Auch Gondeln gab es zuhauf, und wie Henry schon angekündigt hatte, waren sie alle gleich geschnitten, lang und schmal, mit aufwärts gebogenen Enden, manche mit, manche ohne Überdachung über der Sitzbank. Von der Verzierung her waren sie jedoch alle unterschiedlich; die einen in schlichtem Schwarz, andere wiederum in den grellsten Farben gestrichen, und hier und da zog auch eine vorbei, die vornehm mit Samt ausgeschlagen und mit einem Baldachin versehen war.
Vor uns tat sich ein weites Hafenbecken auf, das Bacino di San Marco, wie wir von Henry erfuhren. Hier wimmelte es nur so von Schiffen, die einen wahren Wald von Masten bildeten. Dicht an dicht tanzten die Boote an dem gewaltigen Kai oder kreuzten zwischen den umliegenden Landspitzen umher, sodass einem bei dem Versuch, ihre Anzahl zu schätzen, schwindlig wurde.
»Die Piazza San Marco.« Henry deutete auf den Kai, der von gewaltigen Bauwerken eingerahmt war. Mir schwirrten die Ohren von all den Namen, die Henry mir und Elena nannte, allen voran den des Palazzo Ducale. Der Dogenpalast war ein Gebäude von wahrhaft gigantischen Ausmaßen. Dahinter erhoben sich die mächtigen Kuppeln der Markusbasilika, in welcher, wie ich wusste, der Stadtheilige begraben lag. Überragt wurde die Piazza von dem größten Turm, den ich bisher gesehen hatte. Ein goldener Engel schwebte über seiner Spitze, als wäre er soeben mitten im Flug dort gelandet.
»Für die Leute hier ist dieser Campanile Il paron de casa – der Hausherr.« Henry ahmte den venezianischen Dialekt perfekt nach.
Den Kopf in den Nacken gelegt, versuchte ich, die Höhedieses frei stehenden Kolosses zu schätzen, gab es aber mangels passender Vergleiche gleich wieder auf.
Wie aus der Ferne hörte ich Henry sagen, dass sich hier bei der Mole die Einfahrt zum Canal Grande befinde, den die Einwohner Venedigs Canalezzo nannten,
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