Der König Der Komödianten: Historischer Roman
aufeinander, an keinem anderen Ort Italiens war das Leben so bunt und vielfältig, jedenfalls meinte das Rodolfo, der schon im ganzen Land herumgekommen war.
»Wir gewöhnen uns bestimmt schnell daran«, sagte ich tröstend zu Elena, während ich den rumpelnden Karren über das Pflaster des Markusplatzes zog. »Als ich nach Padua kam, war ich das erste Mal überhaupt in einer Stadt, und schon nach zwei Tagen hatte es jeden Schrecken für mich verloren.« Ich dachte an die Badehäuser. »Na ja, sagen wir, fast.«
Henry führte uns durch den Durchgang unter dem Uhrturm, in ein Gewirr aus Gassen und Kanälen, was die Beförderung der Handkarren in eine enorme Herausforderung verwandelte. Öfter galt es schmale, teils mit Stufen versehene Brücken zu überwinden, was angesichts der vielen Menschen, die sich hier tummelten, noch zusätzlich erschwert wurde. Schwitzend und erschöpft bugsierte ich mit Elenas und Henrys Hilfe das sperrige Gefährt vorwärts, während sich Baldassarre, Rodolfo und Cipriano mit dem anderen Karren abmühten.
Bernardo musste beim Gehen hin und wieder innehalten und durchatmen. Offenbar machte ihm die Verletzung wieder stärker zu schaffen. Nicht ohne Schadenfreude überlegte ich, dass er in der vergangenen Nacht wohl besser von gewissen körperlichen Anstrengungen Abstand genommen hätte. Das hatte er nun davon.
Caterina war die Einzige von uns, die weder verschwitzt noch zerrauft aussah, was möglicherweise daran lag, dass sie zu beschäftigt war, um beim Schieben der Karren zu helfen. Immer wieder blieb sie stehen, um besonders sehenswerte Einzelheiten der Umgebung in Augenschein zu nehmen. Vor einer offenen Ladentür hielt sie inne und ließ einen entzückten Ausruf hören. »Sieh nur, Bernardo! Eine richtige, echte Schneiderei! Diese wundervollen Seidenstoffe!«
An einem anderen Laden begeisterte sie sich für die feinen Schuhe und Handschuhe, ein dritter entzückte sie mit buntem Glasschmuck. »Ach, Bernardo, Liebster! Diese Kette hättest du sehen müssen! Die Perlen hatten die Farbe von Veilchen! Sie wären wie für mich gemacht! Was meinst du, ob ich mir das in den nächsten Tagen einmal näher anschaue?«
Bernardo machte eine brummige, aber zustimmende Bemerkung, was wiederum Franceschina veranlasste, eine grimmige Miene aufzusetzen. Caterina hingegen lächelte zufrieden und hakte sich an Bernardos unversehrtem Arm ein.
Henry lotste uns um eine der zahlreichen Kirchen, und dahinter lag an einem Kanal die Herberge, ein schon recht betagtes, vierstöckiges Backsteinhaus, das nur durch eine kaum schrittbreite Befestigung von dem Kanal getrennt war. Während ich mit unterdrücktem Fluchen den Karren knapp vor einem Absturz ins Wasser bewahrte, teilte mir Henry mit, dass man einen solchen Gehsteig am Kanal Fondamenta nannte.
Allerdings scherten mich solche Einzelheiten nicht länger. Mittlerweile plagten mich Durst und Hunger und der Wunsch nach dem möglichst baldigen Besuch eines Abtritts. DenÜbrigen erging es nicht anders, alle waren froh, dass wir endlich unser Ziel erreicht hatten.
Durch einen Torbogen gelangten wir in einen Innenhof, wo wir die Karren entladen konnten. Der Herbergswirt wies uns drei Schlafkammern zu. Eine teilten sich Henry, Rodolfo und Cipriano, eine die drei Frauen, und die dritte bezogen Bernardo, Baldassarre und ich.
Nachdem wir unsere Siebensachen in den Kammern verstaut und uns mit den Räumlichkeiten der Herberge vertraut gemacht hatten, nahmen wir in der Schankstube ein Vespermahl aus Käse, eingelegten Oliven, Brot und Räucherfisch zu uns und saßen danach noch eine Weile zusammen. Die Stimmung war, wohl infolge der allgemeinen Erschöpfung, erstaunlich friedfertig, weshalb ich mich auch nicht lange zierte, als Elena mich aufforderte, von meiner neuen Idee zu erzählen.
»Was ist aus der Geschichte mit dem Zeh und dem Juden geworden?«, unterbrach mich Bernardo nach den ersten Sätzen mit schwerer Zunge. Wie immer hatte er zu tief ins Glas geschaut.
»Man kann gar nicht genug Geschichten sammeln«, belehrte ihn Baldassarre. »Nur im unmittelbaren Vergleich mehrerer Möglichkeiten kann man beurteilen, was den Geschmack am besten trifft.«
»Wie wahr«, sagte Caterina.
Bernardo starrte sie an. »Was meinst du damit?«
»Nichts. Nur, dass Baldassarre recht hat. Erzähl weiter, Marco.«
In groben Zügen erklärte ich meine Idee und berichtete ihnen von den Zwillingen Flavio und Leandro und den haarsträubenden Abenteuern, die ich mir noch für
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