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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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erwiesen, und ihn deshalb mit Bewährung davonkommen ließ — ein Urteil, das den Eltern mindestens ebenso sehr wie dem Jungen den Kopf zurechtsetzen sollte. Für mich war es Alltagskost. Der Junge brauchte Hilfe.
    Der Assistent der Staatsanwaltschaft grinste spöttisch. Er kam zum Tisch der Verteidigung, stülpte die Lippen über den zu großen Zähnen zurück und erzählte mir, er habe von meinem Vater gehört. Er schnippte die Zunge mit der violetten Unterseite hinter diesen Schneidezähnen hervor und bemerkte, Ezras Tod werfe ebenso viele Fragen auf wie der meiner Mutter.
    Beinahe hätte ich ihm eine gescheuert, aber ich begriff gerade noch rechtzeitig, dass er darauf nur wartete. Stattdessen zeigte ich ihm den Mittelfinger. Dann sah ich Detective Mills; sie stand im Schatten neben dem Ausgang, und als ich sie entdeckt hatte, wurde mir klar, dass sie schon seit einer ganzen Weile dort stand. Wenn ich mich nicht so taub gefühlt hätte, wäre mir das vielleicht auf die Nerven gegangen: Sie war ein Mensch, den man gern im Auge behielt. Als ich meine Akten einpackte und auf sie zuging, winkte sie mir knapp.
    »Draußen«, sagte sie, und ich folgte ihr.
    Auf dem Flur drängten sich die Leute und verbreiteten Wärme. Die Anwälte stutzten und starrten uns an. Detective Mills leitete die Ermittlungen. Ich war der Sohn des ermordeten Kollegen. Ich konnte es ihnen nicht verdenken.
    »Was gibt's?«, fragte ich sie.
    »Nicht hier.« Sie nahm mich beim Arm und drehte mich gegen den Strom der Leute und zur Treppe. Wir gingen schweigend nebeneinander her, bis wir in den Korridor kamen, der zum Büro des Staatsanwalts führte.
    »Douglas will Sie sprechen«, sagte sie, als hätte ich wieder eine Frage gestellt.
    »Das dachte ich mir schon«, sagte ich. »Haben Sie eine Spur?«
    Ihr Gesicht bestand aus lauter kantigen Winkeln, was mich vermuten ließ, dass der vergangene Tag sie immer noch beunruhigte, aber ich kannte die Routine. Wenn etwas schiefgehen sollte, würde Mills den Ärger bekommen, und vermutlich hatte sich mein Besuch am Tatort schon herumgesprochen. Es war ein Verstoß gegen sämtliche Tabus. Cops erlaubten keinem Verteidiger, am Tatort herumzuspazieren und womöglich das Beweismaterial zu kontaminieren. Mills war gescheit und wusste, wie man seinen Arsch absicherte, und so hatte sie die Akte wahrscheinlich mit präzisen schriftlichen Aussagen anderer Cops darüber gespickt, was ich angefasst hatte und was nicht. Und auch Douglas würde dabei ausführlich erwähnt sein.
    So war ihr Schweigen nicht weiter verwunderlich.
    Douglas sah aus, als hätte er überhaupt nicht geschlafen.
    »Ich weiß nicht, wie die verdammten Zeitungen so schnell Wind davon bekommen haben«, sagte er, als ich zur Tür hereinkam, und erhob sich halb von seinem Sessel. »Aber wehe, Sie haben was damit zu tun, Work.«
    Ich starrte ihn nur an.
    »Na, kommen Sie rein.« Er ließ sich auf seinen Sessel zurückfallen. »Mills, machen Sie die Tür zu.«
    Detective Mills schloss die Tür und baute sich dann rechts hinter Douglas' Schulter auf. Sie bohrte die Hände in die Taschen ihrer Jeans und schob dabei die Jacke zurück, so dass der Kolben ihrer Pistole im Schulterhalfter zum Vorschein kam. Sie lehnte sich an die Wand und starrte mich an, als wäre ich tatverdächtig.
    Es war ein alter Trick, und wahrscheinlich war es reine Gewohnheit, aber wie sie so dastand, sah sie von Kopf bis Fuß aus wie die Bulldogge, die sie war. Douglas sank in seinem Sessel zusammen. Die Luft entwich aus ihm, als hätte ihn ein Pfeil getroffen. Er war einer von den guten Menschen, und ich auch, das wusste er.
    »Haben Sie irgendwelche Spuren?«, fragte ich.
    »Nichts Handfestes.«
    »Verdächtige?«, drängte ich.
    »Verdächtig ist ungefähr jeder«, sagte er. »Ihr Vater hatte eine Menge Feinde. Unzufriedene Mandanten, Geschäftsleute, die gegen ihn verloren hatten, und wer weiß, wer noch. Ezra hat so manches getan, aber Rücksicht hat er nie genommen.«
    Eine Untertreibung.
    »Jemand Spezielles?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte er und zupfte an seiner Augenbraue.
    Mills räusperte sich, und Douglas ließ die Augenbraue los. Offensichtlich war Mills nicht glücklich mit der Situation; ich nahm an, dass sie und der Staatsanwalt sich darüber unterhalten hatten, wie viel sie mir erzählen sollten.
    »Was dann?«, fragte ich.
    »Wir glauben, er ist in derselben Nacht gestorben, in der er verschwunden ist.«
    Mills verdrehte die Augen und fing an, auf und ab zu gehen

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