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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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empfunden. Ich hätte am liebsten gekotzt.
    Ich starrte aus dem Fenster in die Nacht hinaus. Der zunehmende Mond machte sie schön, und ich drehte mich erst um, als ich Barbara befangen husten hörte. Wie gebannt stand sie da, eingefangen zwischen dem Mond und dem sanften Lichtschimmer aus dem Bad. Sie trug etwas Hauchdünnes, das ich noch nie gesehen hatte und worunter ihr Körper geisterhaft wirkte. Sie verlagerte ihr Gewicht unter meinem prüfenden Blick, wobei sich ihre Brüste im Gleichtakt bewegten. Ihre Beine waren lang wie immer, aber heute Abend sahen sie länger aus, und die Dunkelheit dort, wo sie einander berührten, lenkte meinen Blick nach unten.
    Wir hatten seit Wochen nicht miteinander geschlafen; ich wusste, dass sie sich mir aus Pflichtgefühl so anbot. Seltsamerweise bewegte mich das, und ich reagierte mit einem harten, beinahe schmerzhaften Verlangen. Ich wollte in diesem Moment keine Ehefrau. Keine Kommunikation. Keine Gefühle. Ich wollte mich einmauern in weiches Fleisch und die Realität dieses Tages aus meinen Knochen hämmern.
    Sie nahm meine ausgestreckte Hand und glitt unter die Decke. Sie sagte nichts, als bliebe es auch für sie eine unpersönliche Angelegenheit. Ich küsste sie heftig und schmeckte das Salz ihrer kaum getrockneten Tränen. Meine Hände glitten über sie und in sie hinein, und irgendwann waren wir nackt. Sie ließ ihr Haar über meine Brust streichen und bot meinem Mund ihre Brüste dar. Ich biss hinein, hörte ihren erstickten Aufschrei und verlor mich dann im Rauschen des Blutes und im Klatschen des nassen, glücklichen Fleisches.

VIER
    I n den letzten Jahren hatte ich festgestellt, dass in Abwesenheit meiner Frau oft eine besondere Art von Stille herrschte. Es war, als hätte das Haus selbst endlich ausgeatmet. Und als ich am nächsten Morgen aufwachte, wusste ich, ehe ich meine verquollenen Augen öffnete, dass ich allein war. Als ich so dalag und vom Rest meines Lebens gerade fünf Sekunden vergangen waren, erkannte ich, dass meine Frau mich nicht mehr liebte. Ich weiß nicht, woher diese Erkenntnis kam, aber ich konnte sie nicht bestreiten. Es war eine Tatsache, wie meine Knochen eine Tatsache sind.
    Ich warf einen Blick auf den Nachttisch und sah nichts als die Lampe und ein Wasserglas, dessen silberner Rand mit Lippenstift verschmiert war. Früher hinterließ sie immer kleine Zettel: »Bin in der Buchhandlung.«
    »Kaffee mit den Mädels.«
    »Lieb dich.« Aber das war, bevor das Geld knapp wurde. Ich fragte mich, wo sie hingegangen war — vermutlich ins Fitnessstudio, um das auszuschwitzen, was nach der Nacht noch von mir übrig war. Sie würde ihre Figur im Spiegel betrachten, ein Lächeln in ihre sorgenvollen Wangen graben und so tun, als hätte sie ihr Leben nicht für eine lauwarme Ehe und eine Handvoll glänzender Fünf-Cent-Stücke prostituiert.
    Ich schwenkte die Füße über den Bettrand und stand auf. Ich sah auf die Uhr: kurz vor sieben. Drohend ragte der Tag vor mir auf, und ich wusste, es würde ein großer Tag werden. Inzwischen würde sich die Nachricht von Ezras Tod im County verbreitet haben, und ich rechnete damit, dass ich an diesem Tag ein strudelndes Kielwasser hinterlassen würde, wo immer ich hinging. Mit diesem Gedanken betrat ich das Bad, duschte, rasierte mich und putzte mir die Zähne, was sie dringend nötig hatten. Im Schrank hing noch ein einziger sauberer Anzug, den ich freudlos anzog und dabei an Jeans und Flipflops dachte. In der Küche fand ich eine halbvolle Kanne Kaffee; ich goss mir eine Tasse ein und gab Milch dazu. Dann trat ich mit dem Kaffee hinaus unter einen diffusen, düsteren Himmel.
    Es war noch zu früh für die Kanzlei, und das Gericht öffnete erst um neun; also machte ich eine Spazierfahrt. Ich redete mir ein, dass ich ziellos umherfuhr, aber ich wusste es besser. Alle Straßen führen irgendwohin; es kommt nur darauf an, für welche man sich entscheidet. Diese Straße führte mich aus der Stadt und über den Gant's Creek. Ich kam am Haus der Johnsons vorbei und sah eine handgeschriebene Tafel, auf der Welpen angeboten wurden: Kostenlos in gute Hände zu geben. Ich nahm den Fuß vom Gas und fuhr langsamer. Einen Augenblick lang zog ich es in Erwägung, doch dann stellte ich mir Barbaras Reaktion vor und wusste, dass ich nicht anhalten würde. Aber ich gondelte langsamer dahin und behielt den Rückspiegel im Auge, bis das Schild zu einem weißlichen Punkt geschrumpft und dann ganz verschwunden war. Hinter einer

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