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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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hörte den Vorwurf in ihrem Ton. Sie blickte auf mich herab. »Du wolltest nie etwas Besonderes sein, und ich konnte nichts tun, was dich dazu gebracht hätte, es zu wollen. Du warst so bereitwillig zufrieden. Du hast die Brosamen genommen, die von Ezras Tisch fielen, und dachtest, das sei ein Festmahl.«
    »Ezra war an diesen Tisch gekettet. Er war nicht glücklicher als ich.«
    »Doch, das war er. Er hat sich genommen, was er haben wollte, und das hat ihm Freude gemacht. In dieser Hinsicht war er ein Mann.«
    »Willst du mich verletzen?«, fragte ich. »Es ist doch so schon unangenehm genug.«
    Barbara schlug mit der flachen Hand auf das Wagendach. »Glaubst du, für mich ist es angenehm? Das ist es nicht!«
    Ich wandte den Blick ab, hinunter zu den bunten Punkten im dunkelgrünen Gras. Plötzlich wollte ich nur noch weg von hier, aber da blieb noch etwas zu sagen. Also sagte ich es.
    »Weißt du, was unser Problem ist, Barbara? Du hast mich nie gekannt. Du hast gesehen, was du sehen wolltest. Einen jungen Anwalt aus einer reichen Familie mit einem beinahe berühmten Vater. Und du hast angenommen, du würdest mich kennen. Wüsstest, wer ich bin. Was ich will. Was mir wichtig ist. Du hast einen Fremden geheiratet und dann versucht, ihn zu jemandem zu machen, den du erkennst. Zehn Jahre lang hast du mich zurechtgehämmert, und ich habe es zugelassen, aber ich konnte niemals der sein, den du haben wolltest. Das hat dich frustriert und verbittert gemacht und mich bedrückt. Ich habe mich vor mir selbst versteckt, als würde das alles einfach weggehen, und insofern bin ich nicht besser als du. Wir haben aus den falschen Gründen geheiratet, ein verbreiteter Fehler, und wenn ich Manns genug gewesen wäre, hätte ich es schon vor Jahren beendet.«
    Barbara verzog den Mund. »Deine Selbstgerechtigkeit ist zum Kotzen«, sagte sie. »Du bist nicht besser als ich.«
    »Das sage ich ja.«
    »Fahr einfach«, sagte sie. »Du hast recht. Es ist aus.
    Fahr.«
    »Es tut mir leid, Barbara.«
    »Dein beschissenes Mitleid kannst du dir sparen.« Sie ging zurück zum Haus.
    Ich ließ sie gehen, und in diesem Moment war mir, als schwebte ich. Aber die Abwesenheit von Schmerz kann nur für eine begrenzte Zeit als Wohlbefinden gelten, und ich hatte jetzt etwas zu tun. Ich machte mich auf den Weg ins Büro.
    Ein Psychiater könnte wahrscheinlich die Besessenheit erklären, mit der ich darauf brannte, Ezras Safe zu öffnen. Durch die Enthüllung seines letzten Geheimnisses trat ich an seine Stelle und riss seine Macht an mich. Oder ich bemühte mich, ihn zu verstehen. Ihn zu übertreffen. Doch in Wahrheit war es nichts derart Kompliziertes. Ich hatte zehn Jahre lang in diesem Gebäude gearbeitet. Dreizehn, wenn man die Sommerjobs während des Studiums mitzählte. In dieser Zeit hatte mein Vater den Safe niemals erwähnt. Ich war sein Sohn. Ich war sein Partner. Er hätte keine Geheimnisse vor mir haben dürfen. Ja, ich war neugierig, aber mehr noch war ich beunruhigt, und ein Teil meiner selbst glaubte, wenn ich dieses Geheimnis ergründete, würde ich meinen Vater endgültig kennen. Unser wahrstes Ich ist oft die Person, die wir niemanden sonst sehen lassen — die wir sind, wenn wir allein sind. Der wirklichen Welt präsentieren wir eine bearbeitete Version, wir machen Kompromisse und Ausflüchte.
    Ich wollte den Mann hinter dem Vorhang sehen.
    Denn was mir jetzt klar geworden war, hätte ich schon eher sehen sollen. Ezra ging es darum, Geld zu haben. Das war der Fluch dessen, der bettelarm aufgewachsen war. Für Geld bekam man zu essen. Mit Geld konnte man das Dach reparieren. Geld bedeutete Überleben. Und deshalb war der Millionenprozess, der ihn berühmt und schließlich reich gemacht hatte, letzten Endes doch nicht das Wichtigste. Darin hatte ich mich geirrt. Denn Millionen-Dollar-Prozesse gehen in die Revision, und selbst wenn das nicht geschieht, löst niemand den Scheck noch am Tag des Urteils ein. Geld machen ist etwas anderes als Geld haben. In dieser Gleichung ist nur ein Datum wichtig: der Tag, an dem man den Scheck auf seinem Konto hat.
    Ich kannte dieses Datum nicht, aber es würde Unterlagen geben. Irgendwo in der Kanzlei war ein Inkassobeleg über 333 333,33, exakt ein Drittel von einer Million Dollar. Als er starb, waren ein paar hunderttausend Dollar nur noch Klimpergeld für ihn, doch mit diesem Geld war er ein gemachter Mann gewesen. Ich hätte es gleich sehen sollen.
    Ich parkte hinten und schaute an dem hohen,

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