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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Mädchen schrie, ein lang gezogenes NEIN, das plötzlich abbrach. Ich hörte eine Männerstimme, leise und eindringlich. »Sei still, du dreckige kleine Schlampe. Sei still, oder...
    Der Rest war unverständlich. Ein raues Murmeln.
    Dann sah ich sie, sah sie ganz deutlich: dunkle Gestalten vor einem matten Lichtschimmer. Sie strampelte mit den Beinen und ließ Wasser aufspritzen, und er schüttelte sie, während er sie hinter sich herschleifte. Ihr Kopf unter seinem Arm sah verdreht aus. Sie schlug auf seine Arme ein, aber ihre Hände waren klein. Sie schrie wieder, und er schlug sie. Ein-, zwei-, dreimal, und dann bewegte sie sich nicht mehr, hing einfach unter seinem Arm. Sie war hilflos, und jetzt wusste ich, dass niemand sonst da war. Nur ich.
    Unversehens stolperte ich noch einmal und landete hart mit dem Gesicht im Wasser. Es schmeckte nach Benzin und Schlamm. Als ich aufblickte, halb blind vom Wasser in meinen Augen, wusste ich, dass er es gehört hatte. Er stand still... und schaute zurück. Ich kauerte mich nieder. Das Blut rauschte laut in meinen Ohren. Ich wusste nicht, wie lange er so dastand, aber mir kam es vor wie eine Ewigkeit.
    Er würde zurückkommen. Er würde mich finden und umbringen.
    Doch er tat es nicht. Irgendwann drehte er sich wieder um und ging weiter. Beinahe wäre ich jetzt umgekehrt, aber ich klammerte mich an ihr Lächeln und betete zu Gott, wie ich es in der Kirche nie getan hatte. Ob er mich hörte oder nicht, wusste ich nicht, aber ich ging weiter, nicht zurück. Noch immer hörte ich das Geräusch seiner Faust in ihrem Gesicht. Ein-, zwei-, dreimal...
    Mach, dass sie nicht tot ist.
    Ich hörte seine Schritte sehr deutlich; sie schleiften durch das Wasser, als renne er, und langsam drang dunkelgraues Licht in die schwarze Finsternis, und ich konnte meine Hände sehen. Das Licht war noch weit weg, aber ich konnte es sehen. Dort war ein Gully, und ich wusste, wir mussten inzwischen weit unter dem Parkplatz sein. Ich tastete nach der Wand und fand sie, schleimiger Beton, glitschig wie Nasenrotz an meinen Fingern.
    Unter dem Gully blieben sie stehen, von oben beleuchtet vom toten Licht. Ein Betonsims ragte aus dem Bach wie ein Altar, und dort warf er sie hin. Er spähte in meine Richtung, doch ich wusste, er konnte mich nicht sehen. Aber er starrte zu mir her, als könnte er mich fühlen. Einer Panik nahe, schaute ich zurück in die Richtung, aus der ich gekommen war. Der Tunnel hinter mir gähnte wie ein Schlund. Dann ließ sein Blick mich wieder los; die Ungeduld riss ihn fort. Er redete wieder, murmelte vor sich hin, und ich hörte den begierigen Eifer in seiner Stimme.
    »ja, ja, ja. Oh, ja ...«
    Seine Finger bewegten sich an ihr. Ich hörte das Reißen von Stoff und ging weiter. Seine Stimme wurde lauter, als er ihr das violette Kleid herunterriss. Es breitete sich unter ihr aus wie zerbrochene Flügel, und ihr Körper schimmerte darauf im Licht wie kalter Marmor. Seine Stimme schwoll an und wieder ab, ein Singsang, das Lied eines Wahnsinnigen.
    »Danke, Herr. Ich danke dir. So lange her, so lange, so lange... 0 Herr, mein gütiger Herr ...«
    Er schob sich zwischen uns und wandte mir den Rücken zu. Ich konnte ihr Gesicht und ihre Füße sehen. Wieder zerriss Stoff, und ich hörte seine Stimme.
    »Ooohh ...«
    Jetzt war es ein Stöhnen. Ihr Höschen schwamm im Wasser lautlos an mir vorbei. Ich schaute hinunter und sah ihm nach, Kap-Astern in einem schwarzen Feld, Augen, die mich im Dunkeln anstarrten. Es trieb an mein Bein, drehte sich und verschwand in dem nassen Schlund hinter mir.
    Ich riss meinen Blick davon los und sah plötzlich, wie nah ich ihnen gekommen war — bis auf höchstens fünf, sechs Schritte. Das Licht erreichte mich schon. Ihre Augen waren weit aufgerissen und starr. Auch ihr Mund stand offen, und ich sah, wo er sie geschlagen hatte. Ihre Lippen zuckten, und ich hörte ein leises Gurgeln. Ihre flatternden Finger deuteten in meine Richtung. Er schlug sie noch einmal, und danach bewegten ihre Lippen sich nicht mehr. Ihre Augen waren noch offen, aber ich sah fast nur noch das Weiße. Ich spürte Wut, die ich nährte, brauchte. Sie machte mich stark.
    Mein Fuß berührte etwas im Wasser, und ich wusste, was es war.
    Ich bückte mich, meine Finger schlossen sich um einen Stein, so groß wie ein Babyschädel...
    Ich starrte in das Licht, das aus Vanessas Haus fiel, aber es vertrieb die Bilder nicht. Ich schloss die Augen, rieb sie und hatte Angst, ich könnte sie

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