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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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mir stattdessen aus dem Kopf reißen.
    ... Ich hob den Stein über den Kopf, machte einen Schritt und rechnete jeden Moment damit, dass der Mann sich umdrehen, mich sehen und sich auf mich stürzen könnte. Aber das tat er nicht. Er sah nur noch das Mädchen.
    Noch ein Schritt, und die Angst erhob sich neben der Wut, und sie war stärker. Er würde uns beide umbringen. Das sah ich. Ich hätte meinen Vater holen sollen. Dieser Mann war riesengroß, und er war verrückt, und er würde uns umbringen. Scheiße, er würde uns ganz bestimmt umbringen. Ich war kurz davor, kehrtzumachen und wegzurennen. Schon fand ich mich damit ab. Fing an, mich abzuwenden.
    Da bewegte er sich. Und ich sah sie, eine Marmorstatue auf einem Betonsockel.
    Sie war vollkommen.
    Ich konnte den Blick nicht von ihr losreißen. Ich hatte noch nie ein nacktes Mädchen gesehen, nicht so jedenfalls. Nicht in Wirklichkeit. Ich fühlte mich merkwürdig, als ich sie so anschaute, beschämt und schmutzig, aber ich konnte nicht aufhören. Und ich merkte, dass meine Füße sich nicht bewegten. Der Stein lag locker in meiner Hand, mein Kopf saß lose auf den Schultern. Ich atmete komisch, und sie schien mir entgegenzufluten, bis sie mein ganzes Gesichtsfeld ausfüllte. Ich starrte auf ihre Brüste und dann hinunter auf die weichen blonden Haare zwischen ihren Beinen. Ich hatte den Mann vergessen, die Gefahr, alles außer ihr, wie sie ausgebreitet auf dem Altar lag. Es dauerte nur ein paar Sekunden, aber es kam mir viel länger vor, und ich starrte sie immer nur an.
    Er bewegte sich. Seine schmutzigen Finger wanderten über ihren Bauch nach unten wie Schlangen auf dem Weg zu ihrem Nest, dann war er auf ihr, grunzend wie ein Tier, und seine Zähne, braun wie gebackene Bohnen, waren dunkel an ihren weißen, wehrlosen Brüsten.
    Ich konnte mich nicht bewegen.
    Dann sah ich ihre Augen, sah, dass darin nichts mehr war. Und in dieser Leere fand ich mich selbst wieder. Meine Hand straffte sich, hob den Stein.
    Ich trat ins Licht. Ich machte zwei Schritte, bevor ich sein Gesicht sah, seine irrsinnigen Augen. Sie waren auf mich gerichtet. Auf mich! Seine Lippen stülpten sich über diese Puddingzähne zurück, und er grinste, während sein Leib immer noch auf und ab pumpte wie ein von ihm getrenntes Tier. Der Mann sprach, und seine Worte durchbohrten mich.
    »Gefällt dir, was du da siehst, was, Junge?«
    Ich erstarrte.
    »Hab schon gemerkt, dass du zuschaust.«
    Seine Augen waren rot angelaufen und ließen ihn aussehen, als wäre er kein Mensch mehr. Aber sein Leib bewegte sich weiter. Auf und ab. Auf und ab. Grunz, grunz, grunz. Sein Blick war wie Schmiere auf meinem Gesicht. Und wieder dieses schreckliche Grinsen. Er wusste es.
    »Na, schau noch mal gut hin, Junge... denn du bist der Nächste.«
    Dann war er von ihr herunter und kam lachend auf mich zu, mit ausgestrecktem Arm, als wollte er ihn um meine Schultern legen.
    »O Herr, ich danke dir, Herr.«
    Sein Mund ein dunkles, stinkendes Loch. Zuckende Finger. Ein Geruch wehte mich an, wie von einem toten Hund, den ich einmal am Straßenrand gefunden hatte.
    »Adam und Eva!« , schrie er. »Eva, und jetzt Adam!« Er beugte sich vor, tief hinunter, bis er aussah wie eine riesige Ratte. »Lasset uns beten.«
    Er wiederholte die gleichen Worte, immer wieder. »Lasset uns beten. Lasset uns beten ...« Sie zerflossen in einem schrillen Gackern, als er nur noch einen oder zwei Schritte entfernt war. Dann bleckte er die Zähne und wechselte die Worte, sprach sie langsam: »Lasset uns spielen... lasset uns spielen.«
    Seine Finger berührten mich, und ich fing an zu schreien.
    Doch noch während ich schrie, schwang ich den Stein und traf den Mann irgendwo, aber er lachte nur noch mehr. Ich wollte ihn noch einmal schlagen, doch er riss mir den Stein aus der Hand und warf ihn weg. Ich hörte es klatschen, als wäre der Stein in einen sehr tiefen Brunnen gefallen. Der Mann stieß mich mit dem Gesicht gegen die Wand, und ich schmeckte Blut. Wieder und wieder, bis ich nicht mehr schreien konnte. Ich fühlte seine Hände an mir, an meinem ganzen Körper, doch ich konnte mich nicht bewegen. Ich war kaum noch da, kaum noch da, aber trotzdem... ich fühlte seine Hände. Seine schleimige Zunge an meiner Wange.
    ... Und ich schluchzte.
    Dann blitzte Licht herüber, und von weitem kamen laute Stimmen. Ich sah, wie er blinzelte. Seine Lippen zogen sich zurück, und die Zunge hing heraus wie verfaultes Fleisch. Er sah mich an, und seine

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