Der König der Lügen
Hand strich über mein Gesicht.
»Du hast Glück, kleiner Junge«, sagte er. »Jawohl, o Herr.« Er warf mich ins Wasser. Wieder schlug ich mit dem Kopf gegen die Wand und sah Sterne. Als sie verweht waren, war er immer noch da, kauerte über mir mit leuchtenden, wenn auch erschrockenen Augen, und seine Hand lag auf meinem Geschlecht und drückte es. »Aber ich vergesse dich nicht. Adam am Kreuz... o ja. Du wirst immer mein kleiner Adam sein.«
Dann war er weg, stapfte schwankend durch den Tunnel, weg von dem Licht und den Stimmen, die so weit entfernt waren, aber immer näher kamen. Ich dachte an das nackte, hilflose Mädchen, doch jetzt war es anders. Ich kroch durch den Schlamm und zog mich hoch, raffte die Fetzen ihres Kleides zusammen und schlug sie über sie, legte ihre Hände auf ihren Bauch und drückte ihre blutverschmierten Beine zusammen.
Erst dabei sah ich, dass sie mich anschaute, sah den blauen Schimmer eines Auges, gerade noch sichtbar in ihrem geschwollenen Gesicht.
»Danke«, sagte sie, und ich konnte sie kaum hören.
»Er ist weg«, sagte ich. »Alles wird gut.«
Aber ich glaubte es nicht, und sie vermutlich auch nicht.
Ich dachte, ich sei fertig, sei in Sicherheit, doch eine neue Erinnerung folgte der anderen wie ein Raubtier dicht auf den Fersen.
Es war etwas, das mein Vater gesagt hatte. Ich war im Bett, es war spät, aber ich konnte nicht schlafen. Ich hatte nicht mehr richtig geschlafen, seit sie uns zwei Wochen zuvor aus dem Loch in die gaffende Menge hinaufgezogen hatten, die mit Fingern auf uns zeigte, als könnten wir sie nicht sehen. Das Mädchen, zerschlagen, zusammengehalten von der Jacke, die sie um sie geschlungen hatten. Mich, mit blutigen Zähnen klappernd und verzweifelt bemüht, nicht zu weinen.
Meine Eltern stritten in der Diele, nicht weit von meiner Tür entfernt. Ich wusste nicht, was den Streit ausgelöst hatte. Zuerst hörte ich meine Mutter.
»Warum musst du so hart zu ihm sein, Ezra? Er ist noch ein Junge, und ein sehr tapferer dazu.«
Ich schlich mich zur Tür, öffnete sie einen Spalt breit und spähte hinaus. Mein Vater hatte ein Glas in der Hand. Seine Krawatte war gelockert, und er ließ meine Mutter im matten Licht sehr klein aussehen.
»Er ist kein Held, verdammt«, sagte er. »Ganz gleich, was in der Zeitung steht.«
Er kippte seinen Drink hinunter und legte die Hand über dem Kopf meiner Mutter an die Wand. Irgendwie wusste er von meiner Scham, von dem Brennen in meinem Kopf, das mich nachts wach hielt. Ich wusste nicht, woher er es wusste, aber er wusste es, und heiße Tränen liefen mir über die Wangen.
»Es ist eine schwere Zeit für ihn, Ezra. Er muss wissen, dass du stolz auf ihn bist.«
»Stolz! Ha! Er ist ein dämlicher Bengel, der es besser hätte wissen sollen. Ist ja krankhaft, wie du ihn verzärtelst...« Den Rest hörte ich nicht mehr. Ich schloss die Tür und ging wieder ins Bett.
Er wusste es nicht.
Nur ich wusste es. Und der Mann.
Hab gemerkt, dass du zuschaust ...
Ich öffnete die Augen. Ich war fertig, denn ich konnte nichts mehr tun. Jetzt musste ich Vanessa sagen, wie ich sie im Stich gelassen hatte. Sie war mit fünfzehn vergewaltigt worden, und ich hatte zugesehen, hatte es geschehen lassen.
Ich hätte mehr tun müssen.
Ich schaute zu ihrem Haus hinauf und empfand jähe Übelkeit. Ein Mann stand auf ihrer Veranda und spähte zu mir herab. Ich hatte ihn nicht herauskommen sehen, wusste nicht, wie lange er schon dastand. Wer er war, und warum er da war. Langsam kam er die Treppe herunter. Ich stieg aus dem Truck und erwartete ihn neben dem Kühler. Er war jünger als ich, schätzungsweise dreißig, und hatte dichtes braunes Haar und eng zusammenstehende Augen. Er war groß, breitschultrig und massig. Schwere Hände hingen wie Eisen aus den Ärmeln seines Jeanshemds.
»Ms. Stolen will Sie nicht sehen«, sagte er ohne Einleitung. Er streckte eine Hand aus und spreizte die Finger. »Sie möchte, dass Sie verschwinden.«
»Wer sind Sie?«, fragte ich.
»Das geht Sie nichts an.« Er kam näher, und seine Hand war nur noch wenige Zollbreit von meiner Brust entfernt. »Steigen Sie einfach in Ihren Wagen, und fahren Sie nach Hause.«
Ich blickte an ihm vorbei und sah Vanessas Gesicht formlos im Küchenfenster. Hab gemerkt, dass du zuschaust...
»Nein«, sagte ich wütend. »Das hier geht Sie nichts an.« Mit einer harten Geste deutete ich auf die Farm, mich, Vanessa ... Ich hatte etwas zu sagen, und ich würde es sagen. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher