Der König der Lügen
rgendwann kam ich wieder auf die Beine. Ich ging hinaus in den Wind. Böig wehte er mir ins Gesicht, als wollte er es sauberschrubben. Hinter mir ragte das Gerichtsgebäude fahl in den monolithischen Himmel. Das Licht war silbrig und matt, ein kaltes Licht, und auf dem Gehweg unter mir strömten die Leute vorüber. Normale Leute, die normale Dinge taten, aber auch sie sahen gebeugt aus unter der Last des Himmel, nach vorn gelehnt, während sie bergauf zu den Restaurants und Geschäften stapften. Keiner von ihnen warf im Vorbeigehen einen Blick auf das Gerichtsgebäude. Wahrscheinlich verschwendeten sie niemals einen Gedanken daran, und in gewisser Weise hasste ich sie, aber eigentlich empfand ich eher Neid.
Mein Blick wanderte die Straße hinauf zur nächsten Bar. Ich musste etwas zu Mittag essen, aber ich wollte einen Drink. Ich wollte ihn so dringend, dass ich ihn schon schmecken konnte. Als ich so dastand und von einem kalten Bier träumte, wurde mir klar, wie viel ich in den letzten paar Jahren getrunken hatte. Es kümmerte mich nicht. Es war das geringste meiner Probleme, eine unbedeutende Erkenntnis inmitten der hässlichen Vielzahl. Doch ich entschied mich dagegen. Stattdessen ging ich die breite Treppe vor dem Gericht hinunter und machte mich auf den Weg zu meinem Büro.
Unten auf dem Gehweg nahm ich Kurs auf die Anwaltsstraße. Ich behielt meine Füße im Auge, und deshalb dauerte es einen Moment, bis ich die seltsamen Blicke bemerkte, aber irgendwann spürte ich sie. Leute blieben stehen und starrten mich an, Leute, die ich kannte: zwei Anwälte, eine Frau aus dem Gerichtsbüro, zwei Streifenpolizisten, die zu einer Verhandlung ins Gericht gingen. Sie alle blieben stehen und beobachteten, wie ich vorbeiging, und es kam mir unwirklich vor, als wäre die Zeit mit ihnen stehen geblieben. Ich sah jeden Gesichtsausdruck mit großer Klarheit: Ungläubigkeit, Neugier, Abscheu. Und ich hörte Getuschel, als Anwälte, die ich seit zehn Jahren kannte, mir nicht in die Augen blickten und hinter vorgehaltener Hand miteinander redeten. Meine Schritte stockten und wurden langsamer, als ich mich durch diese seltsame Szenerie bewegte, und einen Augenblick lang befürchtete ich, ich könnte vor mich hin gemurmelt haben, oder meine Hose sei offen. Aber als ich um die Ecke in die Anwaltsstraße bog, sah ich die unerträgliche Wahrheit, und ich verstand.
Die Polizei war zu meiner Kanzlei gekommen, war über sie herabgekommen. Die rotierenden Lichter der Streifenwagen erhellten meine Tür. Zivile Fahrzeuge standen schräg wie Betrunkene mit zwei Rädern auf dem Gehweg. Polizisten gingen in meiner Kanzlei ein und aus und schleppten Kartons. Zuschauer standen abseits in lockeren Grüppchen, und ich erkannte fast alle. Es waren die Anwälte, die ringsumher arbeiteten. Ihre Sekretärinnen. Ihre Praktikanten und Anwaltsgehilfinnen. Eine Ehefrau, die eine Hand an die Kehle presste, als könnte ich ihre Juwelen stehlen. Ich erstarrte, aber irgendwie bewahrte ich meine Würde. Nur einer der Anwälte sah mir in die Augen, und es war genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Douglas stand in einiger Entfernung, massig in einem langen grauen Mantel, der an ihm hing wie ein Sack. Er stand vor der Tür, und unsere Blicke trafen sich in stummem Einverständnis. Dann schüttelte er den Kopf und kam durch die Menge auf mich zu. Es erforderte einiges an Willenskraft, doch ich setzte mich in Bewegung, um ihm auf gleicher Höhe entgegenzutreten.
Er hob die Hände, die Handflächen nach oben gerichtet, aber ich sprach als Erster. Die Leute hielten Abstand und sahen schweigend zu.
»Ich nehme an, Sie haben einen Durchsuchungsbefehl«, sagte ich herausfordernd.
Douglas musterte mich, und ich wusste, dass er sah, was er erwartet hatte. Rote Augen. Gehetzt. Ich wirkte schuldbewusst. Als er antwortete, war keine Trauer in seinem Blick. »Bedaure, dass es so weit kommen musste, Work, aber Sie haben mir keine Wahl gelassen.«
Die Polizisten gingen immer noch ein und aus, und als ich Douglas über die Schulter blickte, entdeckte ich meine Sekretärin. Sie sah klein und niedergeschmettert aus.
»Eine Wahl hat man immer«, sagte ich.
»Diesmal nicht.«
»Ich möchte den Durchsuchungsbefehl sehen.«
»Selbstverständlich.« Douglas zog das Dokument hervor, und ich schaute es an, ohne es zu sehen. Etwas stimmte in diesem Bild nicht, und ich brauchte Zeit, um herauszufinden, was es war. Als die Erleuchtung kam, kam sie mit voller Wucht.
»Wo ist
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