Der König der Lügen
meinen Arm. »Sie werden mir jetzt nicht erzählen, dass Jean gelogen hat, nicht wahr, Work? Jean würde nicht lügen. Nicht in so einer Sache.«
Ich schaute an ihm vorbei und betrachtete die Leute, die schlimmstenfalls Kollegen und bestenfalls Freunde gewesen waren. Was waren sie jetzt? Für mich verloren. Weg — als säße ich schon im Gefängnis. Die Schlange Angst entrollte sich in meinem Bauch, aber ich ignorierte sie und antwortete dem Staatsanwalt, so gut ich konnte.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das erfinden würde, Douglas. Nicht Jean.«
Es war die Wahrheit. Ich war mitten in der Nacht weggefahren, und anscheinend hatte Jean mich gesehen. Aber was glaubte sie? Hatte sie sich eingeredet, dass ich unseren Vater umgebracht hatte? War sie schon so weit weg? Oder wollte sie mich ans Messer liefern? Wenn der Tod eine hinreichende Strafe für den Mann war, der ihre Mutter umgebracht hatte, was war dann die gerechte Vergeltung für mich? Ich hatte Ezras Wahrheit zu meiner eigenen gemacht. Wie sehr hasste sie mich dafür!
»Barbara bestätigt mein Alibi, Douglas. Ich war die ganze Nacht bei ihr, und das wird sie Ihnen sagen. Fragen Sie sie nur.«
»Das haben wir schon«, sagte Douglas.
»Wann?«
»Heute Morgen.«
Jetzt ging mir ein Licht auf. »Mills«, sagte ich. »Sie hat heute Morgen mit Barbara gesprochen.« Ich sah Mills auf dem Parkplatz des Restaurants vor mir. Da hatte sie von dem Durchsuchungsbefehl gewusst. Deshalb hatte sie wissen wollen, wie mein Arbeitstag aussah. »Nehmen Sie mich in Haft?«, fragte ich.
Douglas schürzte die Lippen und schaute weg, als wäre ihm die Frage peinlich. »Das wäre übereilt«, antwortete er schließlich. Also hatte er keine hinreichenden Beweise, um eine Festnahme zu rechtfertigen. Und dann kapierte ich. Hätte Barbara etwas anderes ausgesagt, hätte er einen Haftbefehl erwirkt. Deshalb hatten sie so lange gewartet, ehe sie mit ihr gesprochen hatten. Sie hatten gewusst, was sie sagen würde, und ein Alibi hätte ihren Antrag auf einen Durchsuchungsbefehl erschwert. Jeder Richter hätte gezögert. Also hatten sie sich lieber erst den Durchsuchungsbefehl besorgt. Und wenn Barbara ihnen etwas anderes gesagt hätte als das, was sie gesagt hatte, würden Douglas und ich jetzt ein ganz anderes Gespräch führen.
Ich nickte und studierte die Szene auf der Straße ein letztes Mal, als wollte ich mir all die Kleinigkeiten einprägen, die mir bis dahin so selbstverständlich erschienen waren. »Gut. Dann gehe ich Ihnen jetzt aus dem Weg.« Ich wollte mich abwenden, als Douglas antwortete.
»Wenn Sie eine Aussage machen wollen, Work, wäre es jetzt ein guter Augenblick dafür.«
Ich drehte mich wieder um und beugte mich vor. »Ficken Sie sich ins Knie, Douglas. Da haben Sie Ihre Aussage.«
Douglas zuckte nicht mit der Wimper. »Sie tun sich keinen Gefallen, Work.«
»Wollen Sie diese Aussage schriftlich haben?«, fragte ich.
Douglas runzelte die Stirn und schaute zu meinem Büro hinüber. »Sprechen Sie nicht mit Jean darüber«, sagte er. »Sie hat genug auf dem Buckel, ohne dass Sie ihr noch mehr aufhalsen. Ich möchte nicht, dass Sie sie durcheinanderbringen. Sie hat eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, und nur darauf kommt es an.«
»Dazu sind Sie nicht befugt, Douglas. Sie können mir nicht befehlen, mich von meiner Schwester fernzuhalten.«
»Dann betrachten Sie es als eine weitere Warnung. Kommen Sie diesen Ermittlungen noch in irgendeiner Phase in die Quere, und ich springe Ihnen so hart ins Genick, dass Sie es nicht glauben werden.«
»Haben Sie noch was?«
»Ja. Habe ich. Hambly hat heute das Testament Ihres Vaters bestätigen lassen. Glückwunsch.«
Ich sah ihm nach, als er wegging. In mein Büro. In mein Leben. Was noch davon übrig war.
Er verschwand im Haus, und die Menge drängte sich um die Tür. In diesem Augenblick war ich zu wütend, um Angst zu haben; mich beunruhigte nur die Leichtigkeit, mit der die Schmusedecke meines Lebens in Fetzen gerissen worden war. Wieder richteten sich die Blicke auf mich, aber sie waren nicht neugierig. Und das vor allem trieb meinen Ärger bis zum Abscheu. Das da waren Leute, die ich kannte und die mich kannten. Doch da war es, in jedem ihrer Blicke unübersehbar. Ich war mehr als ein Verdächtiger — ich war verurteilt, allein in einem feindseligen Land. Also ging ich. Ich ging um den Block herum und zurück zum Parkplatz hinter dem Gebäude. Ich stieg in meinen Truck und fuhr davon. Ziel
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