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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Augenblick«, sagte sie, »reden Sie mit mir, und nur mit mir. Wenn es eine Story gibt, will ich sie exklusiv haben.«
    »Alles, was Sie wollen, Tara.«
    Ich hörte, wie sie sich wieder eine Zigarette anzündete. Sie murmelte etwas vor sich hin. Dann wurde ihre Stimme wieder fest.
    »Das Letzte wird wehtun, Work, und ich entschuldige mich dafür. Aber ich hab's nicht in der Hand.«
    Ein schrecklicher Abgrund öffnete sich in meinem Magen, und ich fühlte, wie mein Herz hineinplumpste. Ich wusste, was sie sagen würde, bevor sie es aussprach. »Nein, Tara«, sagte ich. »Tun Sie das nicht.«
    »Das bestimmt mein Chefredakteur, Work. Wir werden die Story bringen. Nichts Konkretes, wenn Ihnen das hilft. Aus dem Umkreis der Ermittlungen ist zu erfahren ... so etwa. Es wird nicht gesagt werden, dass Sie unter Verdacht stehen, nur dass man Sie im Zusammenhang mit dem Mord befragt.«
    »Aber Sie werden meinen Namen bringen?«
    »Ich kann einen Tag für Sie herausschinden, Work — vielleicht zwei. Verlassen Sie sich jedoch nicht darauf. Wir werden es bringen, und zwar auf Seite eins.«
    Ich konnte meine Verbitterung nicht verbergen. »Na, herzlichen Dank auch.«
    Nach langem Schweigen antwortete Tara: »Ich hätte es Ihnen nicht sagen müssen.«
    »Ich weiß. Doch das macht es nicht leichter.«
    »Ich muss Schluss machen, Work. Alles Gute.« Sie legte auf. Ich blieb eine ganze Weile still sitzen und dachte über das nach, was sie mir gesagt hatte. Ich versuchte es mir auszumalen — den Unglückszug, der mir entgegenraste. Aber ich konnte es nicht. Morgen ... oder übermorgen. Es war zu gewaltig, zu heftig. Ich dachte an die anderen Dinge, die ich von ihr erfahren hatte — weil ich es musste. Ich musste es unbedingt.
    Black Talons. Die waren schwer zu kriegen. Dass Ezra mit seiner eigenen Waffe erschossen worden war, stand jetzt anscheinend fest. Ich dachte an meinen letzten Besuch in seinem Haus, an das Bett im oberen Stock, an die Stelle, wo sich jemand zusammengerollt hatte, um sich auszuruhen oder zu weinen. Ich nahm an, dass Jean da gewesen war und so etwas wie Frieden gesucht hatte. Dort hatte es angefangen, in jener Nacht, die jetzt so weit zurücklag. Sie würde hingefahren sein, um den Revolver zu holen; wir alle wussten, dass er ihn dort aufbewahrte. Wie oft mochte sie danach dorthin zurückgekehrt sein, und woran hatte sie gedacht, während sie dort war? Würde sie die Vergangenheit ungeschehen machen, wenn sie könnte?
    Dann waren da die fünfzehn Millionen. Niemand würde glauben, dass ich keine Verwendung dafür hatte. Es würde wie eine offensichtliche, zweckmäßige Lüge aussehen. Und die Polizei wusste, dass ich nicht zu Hause bei Barbara gewesen war. Damit war ein großes Fragezeichen verbunden. Woher hatten sie ihre Informationen? Plötzlich dachte ich an Jean, und wie ihr nassglänzender Mund unter den Kaleidoskopaugen gearbeitet hatte ... Geschehen ist geschehen ... Daddy ist tot, und geschehen ist geschehen.
    Tara ging mir nicht aus dem Kopf. Warum half sie mir? Was hatte sie da gesagt? Ich sei »ein kleiner Junge, der Verkleiden spielt«? So sah sie mich, als kleinen Jungen im Anzug seines Vaters. Sie hatte recht, erkannte ich, aber aus den falschen Gründen. Es sah aus wie eine Verkleidung, weil der Anzug meines Vaters mir niemals passen würde. Doch das Problem war nicht die Größe des Mannes, sondern die Wahl seines Anzugs — eine Wahrheit, mit der ich mich allmählich abfand. Die Geier kreisten und suchten nach einem Kadaver, um die ratternde Maschine namens Justiz damit zu füttern. Und ich wusste genau, dass mein Vater sich ihnen niemals angeboten hätte. Dieses Opfer hätte er nicht bringen können. Ich betete darum, dass ich stark genug sein würde zu tun, was getan werden musste. Ich stellte mir meine Schwester vor und spürte, dass es mir half. Aber die Panik war immer noch da und wartete, und ich schob die Gedanken beiseite, stampfte sie nieder mit etwas, das sich anfühlte wie Hass.
    Jean hatte recht. Der alte Mann war tot, und geschehen war geschehen. Nur eins war jetzt noch wichtig.
    Ich lehnte mich in dem Schreibtischsessel zurück, den ich so viele Jahre benutzt hatte, und betrachtete die Wände, wo meine Diplome und meine Anwaltszulassung hingen. Ich sah mein Büro, als sähe ich es zum ersten Mal. Es hatte nichts Persönliches keine Bilder oder Fotos, nicht mal eins von meiner Frau. Es war, als hätte ein Teil meiner selbst dieses Leben nie akzeptiert und das alles nur als

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