Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
Vom Netzwerk:
aber sonst nichts. Einmal habe ich da eine Schlägerei gesehen, vor langer Zeit, aber niemals Autos. Nicht so spätnachts.«
    Ich hatte Herzklopfen und trockene Lippen. Was sagte er? Ich spähte durch seine dicken, schmierigen Brillengläser und suchte etwas. Suchte einen Sinn in dem, was er mir mitteilen wollte. Suchte einen Grund, keine Angst zu haben.
    »Sie haben was gehört?«, fragte ich. »Was gesehen? Was?« Ich presste seinen Arm so fest, dass mir die Hand wehtat, doch er ließ nicht erkennen, dass es ihm unangenehm war. Ich zwang mich, meine Finger zu lockern.
    »Vielleicht ist es wichtig. Vielleicht auch nicht. Ich weiß es nicht. Aber ich denke, die Polizei sollte es vielleicht wissen. Jemand sollte es ihr sagen.«
    »Was denn sagen?« Ich schrie fast.
    »Ich habe in der Nacht jemanden aus der Mall kommen sehen — schnell, aber ohne zu rennen. Diese Person ging an den Autos vorbei, warf etwas in den Gully, stieg dann in einen der Wagen und fuhr davon.«
    Die Ungeheuerlichkeit seiner Enthüllung überwältigte mich. »Letztes Jahr«, sagte ich. »In der Nacht nach Thanksgiving. Sie haben gesehen, wie jemand aus der Towne Mali kam, etwas in den Gully warf und dann mit einem Auto wegfuhr?«
    Max zuckte die Achseln. »Wie ich's sagte.«
    »Haben Sie gesehen, wie die Person aussah?«
    »Nein.«
    Erleichterung durchströmte mich. Er konnte Jean nicht identifizieren.
    »Es war dunkel und hat geregnet, und die Person war weit weg und trug einen Mantel und einen Hut. Alles dunkel. Aber ich glaube nicht, dass Sie es waren.«
    Ich ließ seinen Arm los, aber er achtete nicht darauf. »Warum nicht?«
    »Die Person war kleiner, glaube ich. Mittelgroß. Sie sind zu groß.«
    »War es ein Mann oder eine Frau?«
    »Wer weiß? Könnte beides gewesen sein.«
    »Aber Sie sind wirklich sicher, dass ich es nicht war.«
    Max zuckte die Achseln. »Ich sehe Sie seit Jahren. Sie tun nie was. Sie sitzen auf Ihrer Veranda und trinken Bier. Ich habe eine Menge Mörder gekannt und viele Tote gesehen. Ich glaube nicht, dass Sie jemanden umbringen könnten. Doch das sage bloß ich. Es ist meine Meinung.«
    Ich hätte beleidigt sein sollen, aber ich war es nicht. Er hatte recht. Ich hatte zwar Jura studiert und geheiratet und führte eine Kanzlei, aber ich tat nie etwas. Ich trieb dahin.
    »Was hatte die Person an?«
    »Dunkle Sachen. Einen Hut. Mehr konnte ich nicht erkennen.«
    »Und die Autos? Können Sie mir darüber etwas sagen?«
    »Eins war groß. Eins nicht so groß. Nicht schwarz, glaube ich. Aber dunkel.«
    Ich dachte kurz nach. »Mit welchem ist die Person weggefahren?«
    »Mit dem kleineren. Tut mir leid, mehr weiß ich nicht. Ich war weit weg, und ich habe eigentlich nicht so genau hingeschaut.«
    »Was ist aus dem größeren Wagen geworden?«
    »Der stand noch da, als ich weiterging. Ich bin ja nur vorbeigegangen. Bin nicht stehen geblieben. Zwei Tage später bin ich wieder da vorbeigekommen, da war der Wagen weg.«
    »Was hat die Person in den Gully geworfen, Max? Haben Sie es gesehen?«
    »Nein, aber ich habe da eine Theorie, genau wie Sie.«
    »Erzählen Sie«, sagte ich, doch ich wusste es schon.
    »Wenn jemand etwas in ein Loch im Boden wirft, dann will er, dass es nicht gefunden wird. In der Zeitung steht, die Polizei sucht die Waffe, mit der Ihr Vater erschossen wurde. Ich denke mir, wenn Sie in den Gully gucken, werden Sie sie vielleicht finden. Aber das sage bloß ich, und ich bin irgendjemand.«
    Ich sah es mit seinen Augen. Als wäre ich dabei gewesen. Natürlich war es die Waffe. Und wenn die Polizei sie fand? Aus und vorbei. Doch die Ironie der Sache bohrte sich wie eine Gabel in meine Eingeweide. Als sie Ezra in der Towne Mall gefunden hatten, war es schlimm genug gewesen, aber die Erinnerungen an jenen furchtbaren Tag vor so langer Zeit waren bloß das gewesen: Erinnerungen. Jetzt war es der Tunnel, der Schlund, und ich musste hinein, musste den Revolver holen, bevor die Cops es taten. Bevor Max sich überlegte, es doch noch jemandem zu erzählen. Der Himmel mochte mir helfen.
    »Es war richtig, dass Sie es mir erzählt haben, Max. Danke.«
    »Werden Sie's der Polizei sagen?«
    Ich konnte ihn nicht anlügen; also sagte ich die Wahrheit, so gut ich konnte. »Ich werde tun, was getan werden muss. Danke.«
    »Ich musste es Ihnen erzählen.« Da war etwas in seiner Stimme, etwas Unausgesprochenes. Ich drehte mich zu ihm um, als ein Auto an uns vorbeifuhr. Sein Blick folgte dem Auto, und er sah ihm nach, bis es

Weitere Kostenlose Bücher