Der König der Lügen
narbige Dielenbretter, gehalten von vier Nägeln — zwei sauber eingeschlagen, zwei verbogen und flach ins Holz gehämmert.
Die Polizei hatte den Safe nicht gefunden, und ich empfand wilde Zufriedenheit. Wenn jemand das Recht hatte, das letzte Geheimnis des Alten ans Licht zu zerren, dann war ich es.
Der Hammer war noch da, wo ich ihn hingelegt hatte, und ich versuchte mit dem Klauenende die Nägel herauszuziehen. Die beiden krummen lösten sich sofort, aber die beiden anderen ließen sich nicht lockern. Die Klaue passte mit Mühe und Not in den Spalt zwischen den Dielen, doch ein heftiger Ruck riss die Bretter mit einem animalischen Kreischen heraus. Ich warf sie zur Seite und beugte mich über den Safe. Hank hatte mir geraten, mich zu fragen, was für Ezra wichtig gewesen sei, wenn ich den Safe ohne die Hilfe eines Schlossers öffnen wollte. Also bemühte ich mich, scharf über den toten Mann nachzudenken, den das Schicksal zu meinem Vater gemacht hatte.
Was war ihm wichtig gewesen? Eine einfache Frage. Macht. Ansehen. Bedeutung. Aber letzten Endes lief alles auf Geld hinaus.
Im Herzen seines Millionen-Dollar-Hauses lag sein Arbeitszimmer, und dort auf dem Schreibtisch stand ein einziges gerahmtes Foto. Seit Ewigkeiten stand es da, als Erinnerung und Ansporn. Wie oft hatte ich gesehen, dass er es anstarrte. Dieses Foto zeigte, wer und was er war. Er hatte nach Kräften versucht, seine Herkunft zu begraben, aber er ertrug es nicht, es zu vergessen. Im Grunde seines Herzens und trotz seines überwältigenden Erfolgs war mein Vater immer der schmutzige kleine Junge mit den verkrusteten Knien geblieben. Die dunklen Augen hatten sich nie verändert.
Ich war in ein komfortables Leben hineingeboren worden, und wir hatten beide immer gewusst, dass mir sein Hunger fremd war. Dieser Hunger hatte ihn stark gemacht, aber auch hart. Skrupellosigkeit war eine Tugend, und dass ich sie nicht besaß, war für ihn der sicherste Beweis dafür, dass er einen Schwächling gezeugt hatte. Wo ich Sinn suchte, hatte er Macht gesucht. Sein Leben war ein entschlossener Aufstieg zur Spitze gewesen, und bei allem ging es am Ende um Geld. Geld war das Fundament.
Mit Geld hatte er Autos gekauft, Partys bezahlt, politische Kampagnen finanziert. Es war ein Werkzeug, ein Hebel, mit dem er die Welt und die Menschen um ihn herum bewegte. Ich dachte an meine Karriere und wusste, dass ich den leichten Weg genommen hatte. Er hatte mich gekauft. Das konnte ich inzwischen akzeptieren. Vielleicht hatte er uns alle gekauft — alle außer Jean. Für sie war der Preis zu hoch gewesen, und weil sie sich nicht beugen wollte oder konnte, hatte die Last sie gebrochen. Und so hatte am Ende Ezra den Preis bezahlt. Das Ganze roch nach Karma.
Ich betrachtete den Safe. Ich hatte ihn zufällig entdeckt; genauso gut hätte ich den Rest meines Lebens verbringen können, ohne davon zu wissen, aber jetzt lastete er auf mir.
Geld und Macht.
Ich erinnerte mich an den ersten Millionen-Dollar-Prozess, den mein Vater gewonnen hatte. Ich war zehn, und er fuhr mit der Familie nach Charlotte, um den Erfolg zu feiern. Ich sah Ezra noch vor mir, eine Zigarre zwischen den Zähnen, wie er eine Flasche vom besten Wein bestellte, den es im Restaurant gab, und wie er dann Mutter ansah.« Jetzt kann mich nichts mehr aufhalten«, sagte er. Ich erinnerte mich auch an das Gesicht meiner Mutter, an ihre Unsicherheit.
Nicht uns. Mich.
Sie hatte den Arm um Jean gelegt, und damals hatte ich es nicht begriffen, aber rückblickend wusste ich jetzt, dass sie Angst gehabt hatte.
Dieses Urteil war der Anfang gewesen. Es war die größte Schadenersatzsumme in der Geschichte von Rowan County, und die Presse machte meinen Vater berühmt. Danach kamen die Leute zu Ezra Pickens.
Und er hatte recht. Nichts konnte ihn mehr aufhalten. Er war prominent, eine Ikone, und mit seinem Ruhm und seinem Reichtum wuchs sein Ego. Von diesem Augenblick an war für ihn alles anders. Und für uns auch.
Ich erinnerte mich noch an das Datum des Urteils. Es war Jeans sechster Geburtstag gewesen.
Ich tippte das Datum in den Ziffernblock. Nichts. Ich legte die Dielenbretter zurück und hämmerte sie mit vier neuen Nägeln fest. Dabei ließ ich mir Zeit, und sie drangen gerade und sauber ins Holz. Seufzend deckte ich den Teppich darüber und wandte mich ab.
Es wäre zu einfach gewesen.
Ich durchquerte das Büro, schloss Schubladen, knipste Lampen aus und wollte eben gehen, als das Telefon klingelte. Beinahe
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