Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König der Narren

Der König der Narren

Titel: Der König der Narren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
Ged a nken an die Bewohner von Anansi. Mit jedem »Nein« w a r sie sich w i derwärtiger vorgekom m en. S i e wich daher den Anleg e stellen für Flöße eben s o aus wie einem Golem und wünschte, die Land s chaft von Sefirot wäre nicht so flach. I n m itten von Hügeln ko n nte m an sich wesentlich besser verstecken.
    Sie scha u te nach links, nach rechts, über ihre Schult e r z urüc k , falls s i e et w as übersehen hatte, und wieder nach vorn, als ihr plötzlich d e r Atem stockte. Dort am Horizont, i n m itten der endlosen Flussebenen, wölbte sich ein sch m aler, hoher Berg in leuchtendem Blau. Je näher der Teppich heranf l og, desto klarer ließ sich erkennen, dass er aus zahllosen, bizarr gefor m ten Zacken bestand, die wie Tropfsteine aus dem Boden wuchs e n. Ein Ei von der Größe eines Hauses stand, auf drei Tropfsteine gestützt, auf halber Höhe dieses Berges.
    Res brauchte keine Erklärungen von Yen Tao-tzu oder der Katze, um sich ihrer Sache gewiss zu sein: Dies war der W andernde Berg. Ihre Lippen zitterten; sie konnte nicht sprec h en, sondern wies nur stumm nach vorn. Endlich am Ziel a ngelangt zu sein überwältigte sie so sehr, dass sie eine Weile brauchte, um zu be m erken, dass weder die Katze noch Yen Tao-tzu besonders glücklich dreinschauten.
    Die Katze schlug ihre Pfoten m it ausgefahre n en Krallen in den Teppich und zog daran. Unter anderen U m ständen hätte Res ihr das verwiesen, war doch das Stopfen des Teppichs mühs a m genug gewesen. Yen Tao-tzu runzelte die Stirn, und ein Hauch von Ungeduld erfasste sie. Gewiss, er würde jetzt sehr bald erfahren, wovor er all die Jahre geflohen war, doch hier g i ng es um so viel m ehr Leben als um seines, um so viel W i chtigeres als sein persönliches s chlec h tes Gewissen. Sie hatte selbst Dinge getan, auf die sie nic h t st o lz war. Wer, außer dem Gesandten der Kin d lichen Kaiserin, hatte das nicht? Aber das w ar nun vorbei. Der Alte würde ihr verraten, wie m an d a s Nichts ein s t aufgehalten hatte und wie m an es wieder aufhalten konnte. Und dann würde sie nach Siridom zurückkehren, ganz gleich, was die Lügenb o lde behauptet hatten.
    In m itten des großen Eis tat s ich ei n e krei s runde Öffnung auf, und Res m usste sich zusa mm enneh m en, um nicht vor Freude zu jauchzen. Sie wurden willk o mmen geheißen. Der Alte vom W a ndernden Berge erwartete s i e. Natürlich; sc h l ießlich wus s te er alles ü b er je d en Schritt i h rer bishe r igen R eise.
    »Teppich, fliege in die Öf f nung hinein«, sagte sie heiser.
    »Res«, sagte Yen Tao-tzu m it einem Mal, »vielleicht solltest du dir das noch ein m al überlegen und uns…«
    » W as auch im m er du getan hast«, schnitt Res ihm in einer Mischung aus Zuneigung und Gereiztheit das W ort ab, »wir bleiben Freunde.«
    Er schüttelte den Kopf. »Darum geht es n i cht. Etwas… etwas stim m t hier nicht. Als ich den Berg da m als…»
    Sie flogen durch die Öffnung, und es dauerte einen Mo m ent, bis sich ihre Augen an das neue, däm m rige Licht gewöhnten. Hinter ihnen glitt die kreisrunde Scheibe, die sich aufgetan hatte, wieder zurück.
    Im Inneren des Eis roch es ver t ra u t, das war d as Erste, was Res auffiel. Staub war hier, ja, und das wunderte sie nicht, hatte doch der Alte seit so vielen Ja hr en nur s ich selb s t als Gesellsc h aft; aber es roch auch nach feuchtem Leh m , w i e an einem F l ussufer. Sie kniff die Augen zusammen und erkannte m ehrere Gole m s, ungeschlachte, rötliche Kolosse, die reglos um einen erhöhten Stuhl heru m standen. Jeder Einzelne trug ein weißes Zeichen in seiner Stirn.
    Verwirrung stieg in ihr auf. Dass der Alte gelegentlich, et w a alle paar Jahrh u nderte, Bes u cher e m p f ing, vor allem W esen m it wichtig e r Mission wie sie, das war begreiflic h ; dass er je d och gleich ein Dutzend Golems hereingelassen haben sollte, widersprach allen Legenden, die sie je gehört hatte.
    Dann seufzte Yen Tao-tzu neben i h r, und Res blickte auf die Gestalt, die zwischen den Gole m s s a ß und, als einer von ihnen beiseite trat, endlich für sie sichtbar wurde. Es war kein alter Mann, der dort auf einem Stuhl aus El f enbein thron t e, sondern die schlanke Gestalt einer Frau m it lange m , sil b ernem Haar, das von m ehreren perlenbesetzten Kämmen geh a lten wurde und dennoch über ihren Rücken hinunterfiel. Als sie sich erhob, entfalteten sich die Flügel, auf denen sie schwebte.
    »Aber ja, meine Lieben, ich bin es«, sagte die

Weitere Kostenlose Bücher