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Der König der Narren

Der König der Narren

Titel: Der König der Narren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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nur an das Gute, befahl sich R es. W enn sie den Stoff aus Siridom für das Kleid bekom m en hat, dann heißt das, es gibt Siridom noch. Sie sind alle noch am Leben, und du wirst sie retten, sobald du hier entkom m en bist. Und du wirst entkom m en.
    Sie zog sich das Kleid an. Trän e nblau, die Farbe für fürchterliche Schuld. Selbstverständli c h m usste das der Fürstin bewusst sein. Doch der Stoff fühlte sich weich und e i nsch m eichelnd auf ihrer H aut an, und das Kleid passte wie angegossen, als sei es für sie gefertigt worden.
    »Ah, schon viel besser«, m einte die Fürstin. »Nur das Haar ist noch un m öglich.« S i e schwirrte zu Res, zog sich einen Kamm aus ihrem Haar und begann m it ihm und m it ihren eisigen F ingern Res’ Haar zu entwirren, zu glätten und langsam dur c hzukäm m en.
    »Du hast natürlich geglaubt«, sag t e sie dabei, »dass ich dich töten, verfluchen o der foltern würde, wenn du er s t wieder in m einer Gewalt bist. Aber verstehst du, Res, darum geht es m ir gar nicht. All die Jahre war ich all e in in m e iner Sta d t. Meine Unt e rtanen f ürc h ten und lieben m ich, und sie beten m ich an, aber ich bin allein. Seit m ehr als tausend Jahren bin ich allein. Es hat nie je m anden gegeben, der es wert gewesen wäre, ihn an m eine S e ite zu erhe b en, s e it m eine Fa m ilie m i r genommen wurde. Ich war so allein und so gelang w eilt von dem endlosen Einerlei, dass m ir d a s Nic h ts f ast als willkom m ene Neuigkeit erschien. Aber dann ka m st du.«
    Die schlim m sten Knoten, die der F l ugwind hinterlassen hatte, waren beseitigt; die Fürstin nahm einen zweiten K a mm aus ihrem Silberschopf und zog sie nun abwechselnd durch Res’ Haare. Es tat gut, fast so sehr wie das Gefühl von tränenblauer Seide auf der Haut.
    »Ich war m i r noch nicht sicher, als ich dich im Palast sah, aber als du m i r entkom m en bist, durch den Spiegelsee, da wusste ich es. Du musst es auch gesehen haben.«
    Sie steckte die Käm m e von beiden Seiten her in Res’ Haar, so dass s ie es aus dem Gesicht z u rückh i elten, dann zog sie Res vor den Spiegel im Deckel der Truhe. »Schau«, wisperte sie.
    Der Spiegel gab zwei Gestalten wieder, d i e F ürstin in ihrer eleganten Schönheit und je m anden, den Res kaum erkannte; ein W esen, das geradewegs von den Teppichen des Arachnion, die Feen oder Prinzessinnen zeigten, herabgestiegen schien.
    Die Fürstin legte einen A r m um R e s, ohne ihren Blick von dem Spiegel zu lösen. »Du bist die Einzige in ganz Phantásien, die m i ch verstehen kann. Die Einzige, die m i r ebenbürtig sein kann; die Einzige, die so sein kann wie ich. Ich habe so lange nach je m andem wie dir gesucht, Res, und nun habe ich dich gefunden.«
    »Du m einst, du hast jemanden wie d i ch gesucht«, verbesserte Res, doch auch sie konnte ihre Augen nicht von ihrem Spiegelbild wenden. Es war auf wundervolle, grau e nvolle W eise richtig und gleichzeitig so falsch, wie etwas nur sein konnte. Die Kälte der Frau neben ihr war nicht m ehr furchteinflöß e nd oder bekle mm end, sondern erfrischend, wie eine Brise nach einem langen, heißen Tag. Sie wünschte sich, sie k ö nnte sich in dieser Kälte versenke n . Gleichzeitig schrie alles in ihr danach davonzulaufen, nicht m ehr weil sie Angst hatte, sondern weil sie m it jedem Herzschlag, den sie länger blieb, m ehr zu ihrem eigenen Spiegelbild wurde.
    Die Fürstin lachte. » S iehst du, ich wusste, dass du m i ch verstehst.«
    »Und was«, fragte Res und versuchte vergeblich die Augen zu schließen, um den Bann zu brechen, »soll m it meinen Freunden geschehe n ? Mi t m einer Hei m at? Mit P h antá s i e n ?«
    Mit ih r er f r e ien Hand machte die Fürstin eine abwertende Bewegung. »Deine Freunde? Ich versichere dir, Yen Tao-tzu würde dich jederzeit deinem Schicksal über l assen, wenn man ihm dafür verspräche, sein Gedächtnis für im m er auszulöschen. Nicht den To d ; er b ildet s i ch z w ar ein, er s u che den T o d, aber in W i rklichkeit ist er zu feige dafür. Fluch hin oder her, wenn er sich gewünscht hätte zu sterben, solange er noch den Glanz trug, wäre ihm das er f üllt worden. W as die W anderin betrifft, es überrascht m i ch, dass du noch lebst, obwohl du schon lange m it so einem Wesen unterwegs bist. Gewöhnlich verkaufen sie einen viel schneller an den Meistbietenden.«
    Sie zog Res näher, und obwohl sie die Größere von beiden war, ließ sie ihren Kopf auf Res’ Schulter sinken. »Deine Hei m at?

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