Der König der Narren
noch nie von einem Mann geküsst worden, und sie war zu erstaunt über die An m aßung und die Neuheit des Ganzen, um darauf zu reagieren.
»Du bist keine Heldin«, flüsterte er in ihr Ohr, »und du wirst Phantásien nicht retten, ganz gleich, was du tust und bereits getan hast. Es tut m i r Leid.«
Er ließ sie los. Ihre Hand fuhr an i hren Mund, und sie schöpfte Ate m . Mit der Luft, die sie einso g , kehrte ihre Fähigkeit zum Zo r n zurück.
»Ich glaube nicht an Regeln«, e n tgegnete sie aufgebracht, »oder an Prophezeiungen. Dahinter«, sie d achte an die Vogelleute und an die Fürstin, »können sich andere verstecken. Ich denke nicht daran aufzugeben, und es ist m i r gleich, ob ich eine Heldin bin oder nicht.«
»Das war nicht herabsetzend ge m e int«, sagte der Einäugige und wirkte bel us tigt. » I ch bin selbst kein Held. Aber ich habe eine gewisse Übung darin, Helden zu erkennen; m an braucht sie in m ein e m Gewerbe.«
»Darf m an erfahren«, fiel Yen Tao-tzu in eisigem Tonf a ll ein,
»um welches Gewerbe es sich handelt ? «
Der Rabe auf seiner Schulter flatterte zu dem Einäugigen zurück, dessen Läc h eln sich zu einem Lachen vertiefte. Er stand auf.
»Ich hätte nicht gedac h t, dass es in di esen Zeiten noch ein m al Anlass zum Gelächter für m i ch geben w ü rde«, antwortete er m it seiner kratzigen, heiseren Sti mm e. »Aber es tut gut, zur Abwechslung nicht gleich erkannt zu werden. W er ich bin? Ich habe so viele Na m en, wie es W esen in Phantásien gibt. Man nennt m ich Einaug, Allvater und Galgenherr. Ich bin Grimnir und Gondlir, ich bin Börsson und Baidursvater, ich kann die Freundschaft jedes Mannes gewinnen und die Liebe jeder Frau. Ich kann Menschen an m eine Träu m e glauben la s sen. Nur die Kindliche K aiserin steht über m ir.«
Er zog eine Schlinge aus einer verborgenen Tasche in seinem U m hang hervor. »Ich kannte m einen Untergang im Voraus, aber nun, da das Nichts Fenris verschlungen hat, ist sogar m ein Ende nicht m ehr gewiss.«
Als er die Schlinge zu Res warf, fing sie das Ding, ohne nachzudenken, auf. »Sie ist unzerreißbar«, sagte er, und sein verbliebenes Auge zwinkerte ihr zu. »Keine W affe eines Helden, aber dir m ag sie nützlich sein. W er weiß, was geschieht, wenn das Schicksal wieder eingerenkt wird.«
Da m it ver b lasste er, wie ein Bild, ü b er das ein S chwamm glitt. Es war kein plötzliches Verschwinden. Das versc h lisse n e Sc hw arz seines U m hangs und seines Hutes wurde heller, das Rot in seinem Ba r t weiß, dann durchsichtig. Eine W eile waberte die Luft noch dort, wo er gestanden hatte; d a nn bewies nur noch der h a lb geleerte K rug auf dem Nachbartisch, dass er hier gewesen war.
Pah, sagte d i e Katze. Angeber. ›Nur die Kind l ic h e Kaise r in s t e h t über mir.‹ V on wegen. Das bilden sie sich alle ein.
» W en m einst du m it ›alle‹ ? «, forschte Yen Tao-tzu.
Die Phantasier, die ihr Menschen in eurer Welt anbetet. So etwas steigt einem natürlich zu Kopf. Ihr Zweibeiner seid eben ein leichtgläubiger H aufen.
»Es ist eine W eile her, und ich m ag m i ch täuschen«, entgegnete Yen Tao-tzu, »aber ich m eine m ich zu erinnern, dass m an im Reich der M itte erzählte, eini g e Völker jenseits der Großen Mauer würden zu Katzen beten.«
Das ist etwas anderes.
Prüfend zog Res m it beiden Händen an der Schlinge, die der Einäugige ihr zugeworfen hatte. Die Schnur, die aschbraun und unscheinbar w i rkte, riss t a tsäc h lich ni cht, doch da s brauc h te n ichts zu besagen. Es gab W esen, die viel krä f tiger waren als sie. Res legte die Schlinge auf den Tisch und versuch t e sie m it Kunlas Dolch zu zerteilen. Die Klinge brachte der Schnur noch nicht ein m al einen Ritzer bei; sie glitt einfach ab, nicht als träfe sie auf Stein, sondern als würde sie selbst stu m pf od e r weich. Dabei war sie scharf wie eh und je, als Res m it der Fingerkuppe darüberfuhr.
» W as ist das für eine Schlinge ? «, fragte sie halblaut. » W oraus besteht sie ? «
Wenn es die ist, mit der früher Fenris gefesselt w ar, erwiderte die Katze, dann besteht sie aus dem B art einer Frau, dem Atem eines Fischs und dem Klang, den die Schrit t e einer Katze hinterlassen. Er war natürlich ungeheuer stolz auf diese Mischung, als sie ihm einmal gelang, aber wird bei all der Angeberei auch die Katze erwähnt, die dafür drei T age lang hin- und hermarschieren musste? Nein.
» W enn du da m it andeuten will s t, dass du das
Weitere Kostenlose Bücher