Der König der Narren
Gegensatz zu den Vögeln, die einfach nur das herau s pickten, was sie brauchten, ließ die Katze i h re Beute ein paar m al weglaufen, fing sie wieder ein, warf sie in die Luft und m achte sie g l auben, sie könne entkom m en, ehe sie dem kleinen Ding das Genick brach und anfing zu fressen.
»Das war ge m ein«, sagte Res, nachdem die Ka t ze der Maus zum zweiten M a l ei n e Gel e genheit zur Flucht vorgegaukelt hatte. » W arum frisst du sie nicht ei nf ach?«
Ich bin eine Katze. Einfachheit lie g t nicht in meiner Natur.
Gegen Abend tür m ten sich die Glasberge so hoch vor ihr auf, dass Res den Himmel nicht m ehr erk e nnen konnte. Sie fingen das Licht der untergehenden Sonne ein und erstrahlten in einem spiegelglatten roten Feuer. Res m uss t e die Augen zusamm e nkneifen und spürte, wie ihr Trä n en das Gesicht heru n terrannen. Das sirrende Klingen in ihren Ohren blieb erträglich dank d e r Stöpsel, die sie sich an g eferti g t hatte, aber sie h a tte Mitl e id m it der Katze, d ie zitternd a u f ihrem Schoß saß und den Kopf in ihren Rockfalten vergraben hatte. Lediglich den Laufvögeln in ihrem grauen Einerlei war nichts anzu m erken. Einen Herzschlag lang beneidete R es sie, dann sagte sie sich, dass die Vögel überhaupt nichts m ehr zu berühren schien, nichts Sch m erzendes und nichts Schönes. Das war kein Zustand, den sie sich wünschte. Der Anblick der Glasberge in ihrem furchtbaren Glanz mochte wehtun, aber sie würde ihn nie vergessen.
Res legte ihre Hände auf die Ohren der Katze, um sie vor dem Pfeifen des W i ndes zu beschir m e n, während sich die Dunkelheit langsam über die Ebene senkte. Es war die erste Nacht, die sie jenseits von Siridom verbrachte. In i h ren Träu m en hatte sie sich im m e r vorgestellt, Teil eines T r osses zu s ein, an einem Lagerfeuer zu sitzen und Lieder zu singen.
Sie räusperte sich und begann m it u nsicherer Stimme: » W as gibt m an Königen zum Lohn? Nun, Teppiche aus S i rido m …«
Nein!, pr o testierte d ie K atze. Der Wind ist schon schlimm genug.
»Soll ich meine Hände wegziehen, du undankbares Tier ? «, fragt Res gekränkt. Die Katze schwieg.
Die riesigen Zacken a u s Glas v o r ihr sc h l uckten all m ählich di e Dunkelheit in sich hinein. W enn sie hinter sich blickte, konnte sie die Sterne am Him m el erkennen, aber vor ihr gab es nur glatte Schwärze. Zögernd nahm sie m it einer Hand die Zügel wieder auf.
Geradeaus, dann etwas nach rechts, sagte d ie Katze.
Res spürte, wie sich der Boden un t er ihr veränderte, als die Laufvögel wieder zu traben begannen. Statt über holprige Steine und durch Schlaglöcher fuhr der W ag e n nun über etwas sehr Glattes und ab und zu über weiche, sandige Stellen.
Oh, das ist kein Sand, k o mmentierte die Katze. D as ist Asc h e, von ein paar N arren, die unbedingt tagsüber versuchen mussten, die Glasberge zu durchqueren.
Die Stim m e der Kat z e in ihren Gedanken war das Einzige, w as sie außer dem ständigen feinen Sirren deutlich wahrnah m ; die Geräusche der Laufvögel oder das Drehen der W agenräder wurden von ihren verstopften Ohren und der N a cht vor ihr verborgen. D er W i nd, der ihr ins G esicht blies, war inzwischen schneidend und kalt, und sie fror, aber sie wagte n i cht anzuhal t en, um sich eine Decke aus dem Weidenkorb zu holen.
Ein m al üb e rrollte der Wagen etwas Größeres, Festes, und sie musste sich anklam m ern, um nicht vom W agenbock geschleudert zu werden.
Zum ersten Mal klang d ie Katze verlegen. Tut mir leid, ich hätte dich rec h tzeitig warnen sollen. D a s war die Hand eines toten Stei n beißers. Die zerfallen ni cht zu Asche.
Inzwischen war Res so erschöpft und m üde, da s s sie hätte umfallen können. Die Katze dagegen, die einen Teil des Tages dösend verbracht hatte, war hellwach, und das war ihrer beider Glück. Nachd e m sie eine W e ile im m er nur geradea u s gefahren waren, sackte Res in sich zusam m en und schloss die A u gen. Nur einen Mo m ent, sagte sie sich, nur ein wenig. Aber dann spürte s ie ein e n Biss in i h rer Ha n d und stellte f est, dass sie e i ngeschlafen sein m usste.
Nicht, bevor wir die Berge durchquert haben, rief d ie Katze scharf. Sonst sterben wir hier!
Res begann wieder zu singen, um sich wachzuhalten, und dies m al protestierte die Katze nicht. Sie m aunzte nur hin und wieder. Erst als ihre Stim m e heiser w a r, hörte Res auf, aber dann entdec k te sie, dass die Laufvögel langsa m er und langsa m er
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