Der König der Narren
wurden.
O nein, sagte die Katze. Das hatte ich befürchtet.
» W as? Soll ich sie rasten lasse n ? «
Das würde nichts nützen. Sie sind dem Nichts zu nahe gekommen, verstehst du. Sie haben es nicht berüh r t, sonst hätte es sie inzwischen verschluckt, aber es war so nahe, d a ss sie jetzt kaum mehr da sind. Und die Glasberge es sind Spiegel, wenn man in der Nacht sehen kann, wie ich oder dieses langbeinige Federvieh.
»Aber wie m einst du… ? «
Jedes Spiegelbild behält ein wenig von dir zurück, unterbrach die Katze sie ungeduldig. Wenn sich et w as spiegelt, das zur Gänze vorhanden ist, dann spielt das keine R olle. Doch wenn etwas nur noch schwach vorhanden ist, dann kann es geschehen, dass die Spiegelbilder es gänzlich aufzehren.
»Aber sie müssen die Glasberge doch schon ein m al durchquert haben, auf dem Weg in die Ebene hinein!«
Die Antwort der Katze war so kalt wie der W ind, der ihr all m ählich die Fingerspitzen abfror. Wer sagt dir, dass sich das Nichts außerhalb der Ebene von Kenfra befand?
Ihre Hände kra m pften sich um die Zügel, während das Entsetzen Res schüttelte. W enn das Nichts b e reits inner h alb der Ebene aufgetaucht war, auf d e m H a uptweg, d a nn konnte es sein, dass K unla und seine Fa m ilie geradewegs hinei n rannten. Dann war es Siridom und ihrer Mutter schon viel näher, als sie geahnt hatte. Sie m usste sich wirklich beeilen.
Aber die Vögel liefen im m er s c hleppender, wie verzweifelt sie auch m it der Zunge schnalzte. Als Res wieder die U m risse der Berge aus m achen konnte, dachte sie zuerst, es m üsse wie im Arachnion daran liegen, dass ihre A ugen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bis sie begriff, dass die Morgendäm m erung ihre ersten fahlen Strahlen aussandte. Dann wurden die Z ü gel in i h ren Händen m it e inem Mal schlaff. Sie schaute nach v o rn, doch sie konnte gerade noch die Konturen der Laufvögel erkennen, e h e sie gänzlich verblassten, wie ihr Spie g el b ild auf dem Berg m assiv.
» W ie… wie weit i s t es n och?«, fr agte Res.
Das Fell d er Katze auf ihrem Schoß hatte s i ch g esträu b t. N o ch eine Stunde, gab sie zurück. Wenn wir Zugtiere hätten.
Res holte tief Luft. »Ich… ich werde versuchen, den W agen selbst zu ziehen.«
Sie stieg vom W agenbock ab, lief nach vorne, wo die leeren Halterungen der Laufvögel auf d e m m i t feiner Asche bedeckten Boden lagen, und band sie sich um die Schultern. Dann begann sie zu gehen. Es war furchtbar schwer, und sie fragte sich, ob es nicht besser wäre, alles zurückzulassen und ohne den W ag e n weiterzulaufen. Aber dann stünde sie in der W üste m it leeren Händen da und hätte nichts, um e s den Leonesen zum Tausch anzubieten, und w ürde nie rechtzeitig d en Verlore n en Kaiser finden. Sie d achte an ihre Mutter und Pallas, die vom Ni c hts bedro h t wurden, und fand die Kraft, um weite r zuzie h en.
Die nächste Stunde war eine ein z ige flam m ende, zerrende Qual. Bald war sie schweißgebadet, und es wurde im m er heller. Ihre Augen brannten vor Müdigkeit und von dem Li c ht, dessen helle Gnadenlosigkeit stärker und stärker wurde. Ich m uss es schaff e n, sagte sich Res beschwörend, ich m uss! Aber bald wusste sie gar nicht m ehr, was sie sc h a ff en wollte. Es g ab nur n o ch die Hitze u nd den nächsten Schritt.
Rauch drang ihr in die N ase.
Das hintere Wagenteil hat Feuer gefangen!, rief die Katze, doch Res konnte es sich nicht leisten, sich u m zudrehen. Sie zog weiter, weiter und be m erkte nicht, dass d e r Rauch au f gehört hatte, bis die Katze auf ein m al zwisc h en ihren Beinen auftauchte.
Manchmal lohnt es sich, im Zirkus gewesen zu sein, sa g te s ie triu m phierend. Res wollte f ragen, was ein Zirkus s ei, doch ih r e Kehle war inzwischen zu aus g edörrt.
Ich habe den Deckel v o n deiner Wasserflasche abgerissen, fuhr die Katze fort, und die Flammen gelöscht. Zum Glück war es nur ein kleines Schwelen. Aber sollten wir je eine andere Katze treffen, erzähl ihr nur nichts davon. Mit Flaschen im Maul herumzulaufen ist unkätzisch das tun sonst nur Hunde!
Res öffnete den Mund, um sich zu bedanken, aber sie brachte keinen einzigen Laut hervor. Inzwischen war es s o hell, dass sie ihre Augen schließen m usste. Sie zog und zog, blindlings geradeaus, bis der W agen hinter ihr in etwas hineinsackte und steckenblieb. Schluchzend brach sie zusam m en, und erst als sie auf die Knie sank, entdec k te si e, dass unter i h r nic h t m ehr Glas oder
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