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Der König der Narren

Der König der Narren

Titel: Der König der Narren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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lie g en kam ihr m it jeder ruckelnden Drehung der Wagenräder verlockender vor. Res f r agte sich, ob die Laufvögel sich wünschten, ebenfalls fliegen zu k ö nnen. Sie hatte noch nie erlebt, dass einer von ihnen sich in die L ü fte erhob; ihre Flügel, die sich schwarz u n d stum m elig an die K örper p res st en, waren d afür auch viel zu kurz.
    Die m orgendlichen Nebel sorgten dafür, dass sie noch nicht ein m al Schlaglöcher rechtzeitig erkennen, die Zügel anziehen und ausweichen konnte. Als Res einfiel, dass sie Siri d o m für längere Zeit nicht m ehr sehen würde, brachte sie die Laufvögel zum Stehen, schaute über die Schulter und ver s uchte an der W agenplane vorbei noch einen letzten Blick auf ihre Hei m atstadt zu erha s chen, aber der Dunst hatte Siridom bereits verschl u ckt. Jahrelang hatte sie sich gewünscht, Siridom zu verlassen, es e i nfach hinter sich zu la s sen und ins Unbekannte aufzubrechen. Abenteuer zu erleben, statt hinter dem Webstuhl zu sitzen. Aber jetzt, d a sich ihr Tr a u m endlich verwirklichte, war ihre Aufregung von der Fur c ht gefärbt, ihre selbst gestellte Aufgabe nicht rechtzeitig zu erfüllen, von der Furcht und dem galligen Nachgesch m ack des Verrats und der Enttäuschung.
    Eine leichte Brise erhob sich aus Richtung der Berge, und die Klänge, die sie m it sich trug, lenkten Res von ihr e r eigenartigen Stim m ung ab. Sie waren hoch und fein; ein wenig wie das Pfeif e n auf einem Kam m . Nach einer W e i le begriff sie, dass es an den Geräuschen liegen m usste, die der W i nd m achte, wenn er durch die Glasberge blies. Sie schnalzte m it der Zunge, und die Laufvögel setzten sich wieder in Bewegung.
     
    Je näher Res den Bergen ka m , d e sto lauter wurden die Klänge. Eigentlich hatte s ie v orgehabt, di e Nacht noch in der Ebene zu verbringen, denn sie bezweifelte, dass sie den Wagen auf einem engen und schlechten Pfad im Dunkeln lenken konnte, und sie würde die Berge nicht vor der D ä m m erung erreichen. Aber sie k o nnte sich nicht vorstellen, bei diesem lauten Sirren auch nur eine Minute zu schla f en. Ein Gilden m itglied hätte ver m utlich gewusst, d a ss m an etwas m itneh m en m usste, um die Ohren zu schützen, doch die W eberinnen ahnten natürlich nichts d a von, und so hatte sie niemand warnen können.
    Als sie an hi elt, um sich die Füße zu vertreten und etwas zu essen, kam ihr eine Idee. Ihr K opf sch m erzte bereits von den durchdringenden Tönen, und sie holte eines der Wollknäuel, die ihre Mutter und Pallas ihr mitgegeben hatten, aus dem W eidenkorb. Sie entrollte ein Stück, biss den Faden durch und f or m te eine kleine Kugel, die sie m it d e m Brotbissen ver m ischte, an d e m sie gerade ka u te, b is s ie ein feuchtes und klebriges K l ü m pchen h a tte, d as sie sich ins Ohr stopfen konnte.
    Und was ist mit mir?, fragte d i e Katze. M ein G ehör i s t se h r vi e l feiner als deines, und bei mir wür d e so etwas nie halten. Du musst noch in der Nacht durch die Berge. Morgen ka n nst du schl a fen, s o lange du willst.
    » W enn ich vom W eg a bkom m e und abstürze, hast du auch nichts davon«, entgegnete Res und biss das zweite Stück W olle ab.
    Oh, ich würde rechtzeitig abspringen. Aber wenn du nicht auf mich hörst und mich hier ertaub e n lässt, dann wirst du morgen erblinden. Und erstickst oder der Wagen fängt Feuer.
    Res hielt m it dem Kauen inne. » W ie m einst du das ? «
    Kannst du dir vorstellen, was für eine Helligkeit und Hitze die Glasberge abgeben, wenn die Sonne scheint?, f ragte die Katze z u rück. Man kann sie nur im Dunk el n durchqueren. Mach dir keine Sorgen wegen eines Unfalls. Im Gegensatz zu euch Zweibeinern kann ich in der Nacht hervorragend sehen. Ich werde dir sagen, wie du zu lenken hast.
    Das erklärte, warum die Glasberge immer in Flammenorange dargestellt wurden, dachte Res und schalt sich töricht, weil sie nicht von selbst darauf gekom m en war. Immerhin, nachdem sie sich die zweite Kugel ins Ohr gestopft hatte, hörte sie nur noch ein feines Sum m en, und ihr Kopfweh ließ nach. Es wäre doch gelacht, wenn sie bereits am Anfang i hrer Reise aufgeben würde, nicht wegen eines U ngeheuers oder eines gewaltigen Zauberspruchs, sondern nur wegen des gellenden W indes, w e gen Übelkeit und dem Bedürfnis, sich auszuruhen. Sie ließ die Laufvögel noch etwas im dünnen, braungrünen Gras der Ebene nach Wür m ern und Käfern schnappen und beobachtete die Katze dabei, wie sie eine Maus jagte. Im

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