Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
»Der König beginnt zu argwöhnen, dass es möglicherweise doch William de la Pole sein könnte, der hinter dieser betrügerischen Englischen Compagnie steckt, Jonah.«
Er schaute sie an. »Ah ja?«
Die Königin nickte. »Ich fürchte, es wird nicht mehr lange dauern, bis Euer Schwiegervater wieder in Ungnade fällt.«
»Ich bin erschüttert, Madame. Wieso habe ich nur das Gefühl, dass Ihr an dieser Entwicklung nicht gänzlich unbeteiligt seid?«
Sie lächelte geheimnisvoll vor sich hin und fuhr dann fort: »Es besteht kaum Hoffnung, dass der gute de la Pole seine Güter in Yorkshire zurückbekommt. Sie fallen an die Krone. Und stellt Euch vor, auf einem dieser Güter ist ein offenbar recht großes Kohlevorkommen entdeckt worden. Wie sie jetzt überall gefunden werden, nicht wahr?«
Er zog die Brauen hoch und bedeutete ihr mit einem Nicken, fortzufahren. »Nun … wie Ihr wisst, muss ich dringend meinen Haushalt sanieren«, sagte die Königin. »Ich habe mir überlegt, ob es wohl lohnend wäre, diese Kohle systematisch abbauen zu lassen – es gibt in meiner Heimat Leute, die wissen, wie man so etwas anstellt – und sie auf den Kontinent zu exportieren? Mir ist natürlich klar, dass Ihr derzeit anderes zu tun habt, aber ich will ja auch nicht morgen damit anfangen. Was denkt Ihr?«
Jonah drehte versonnen seinen Becher zwischen den Händen und antwortete schließlich: »Ich denke, ich werde noch ein Schiff brauchen, Madame.«
N ACHBEMERKUNG UND D ANK
E s liegt wohl in der Natur der Sache, dass bei der historischen Fiktion Historie und Fiktion manchmal im Widerstreit liegen, und genau das macht natürlich auch den Reiz aus, einen historischen Roman zu schreiben. Zu gerne hätte ich beispielsweise die Parade zur Amtseinführung des Bürgermeisters von London – die Lord Mayor’s Show – als Prozession prächtig geschmückter Boote auf der Themse geschildert, wie sie bis auf den heutigen Tag alljährlich stattfindet, doch gibt es diese Tradition leider erst seit 1422, also konnte ich das natürlich nicht tun. Trotzdem habe ich mir wieder einmal Freiheiten erlaubt und den Londonern mit Jonah Durham einen Mayor untergeschoben, den es nie gab, wofür ich um Nachsicht bitte.
Aus Zuschriften weiß ich, dass manche Leserinnen und Leser die Frage interessiert, was denn nun erfunden ist und was sich wirklich zugetragen hat, darum will ich darauf dieses Mal ein bisschen ausführlicher eingehen.
Erfunden sind alle Figuren im Personenregister, die kein * tragen, also, wie gesagt, auch Jonah Durham, seine Familie und seine Geschichte, wenngleich letztere beispielhaft für eine Kaufmannskarriere seiner Zeit ist. Wahr ist hingegen fast alles, was ich über William de la Pole geschrieben habe. Er war mit erheblichem Abstand der reichste und durchtriebenste englische Kaufmann seiner Epoche, und jede Gaunerei, die ich ihm hier anhänge, hat er wirklich begangen, inklusive nächtlicher Entführungen und Einschüchterungen durch gedungene Schurken. Er hat König Edward in der geschilderten Weise betrogen und wurde 1353 wegen des verdächtigen Bankrotts der Englischen Compagnie ein zweitesMal angeklagt. 1354 wurde er wieder einmal von allen Vorwürfen reingewaschen, zog sich aber endgültig aus der Wirtschafts- und Finanzpolitik zurück – verbittert, berichten manche – und starb 1366 hochbetagt im heimischen Yorkshire. Sein Sohn Michael erhielt tatsächlich den ersehnten Adelstitel; er wurde 1385 Earl of Suffolk, was der Vater freilich nicht mehr erlebte. Reichtum und Ehrgeiz blieben den de la Poles erhalten. Einer von Williams und Michaels Nachkommen heiratete im 15. Jahrhundert in die königliche Familie ein, sodass ein de la Pole, mittlerweile zur Herzogswürde aufgestiegen, schließlich gar einen Thronanspruch geltend machte. Doch die Geschichte ging in etwa so aus wie das Märchen vom Fischer und seiner Frau: Nach dem Ende der furchtbaren Rosenkriege wollten die gerade an die Macht gelangten Tudors keine neuen Streitigkeiten um die Thronfolge riskieren, und der Letzte der unbequemen de la Poles wurde hingerichtet. Damit erlosch die Hauptlinie.
Authentisch ist auch beinah alles, was ich über London geschrieben habe. Die demokratischen Strukturen seiner Zünfte, Gilden und mittelalterlichen Stadtverwaltung waren für mich die größte Überraschung bei meinen Recherchen, stehen sie doch im krassen Gegensatz zum Feudalsystem, das den Zeitgeist in so vielen Lebensbereichen beherrschte. Der früheste brauchbare
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