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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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einmal zum Schlimmsten veranlagt waren, mußte man es ihnen nachsehen.
    Vor dem Treffen machte die arme Königin besonders sorgfältig Toilette, und nie war dies so vergebliche Liebesmüh. Der Kardinal empfing sie mit ein wenig steifer Höflichkeit, natürlich samt allen Ehrenbezeigungen, die das Protokoll verlangte. Die Königin gestand alles, der Kardinal hörte ihr aufmerksam zu, ohne ein Wort zu sagen. Als sie ihr Geständnis beendete, wiegte Richelieu mehrmals den Kopf, und sie wußte nicht, ob dies Strenge oder Nachsicht verheiße.
    »Madame«, sagte er endlich mit größter Sanftmut, »die Geschichte ist wirklich ernst, sehr ernst sogar. Aber fürchtet Euch nicht, ich werde mein Bestes versuchen, Euch die Vergebung des Königs zu erwirken.«
    Die Königin sah nicht, daß politische Gründe hinter dieser Güte standen. Von jäher Dankbarkeit überflutet, sprang sie auf. »Wie gütig Ihr seid, Herr Kardinal!« rief sie voll kindlicher Arglosigkeit.
    Und alle Protokollfragen vergessend, reichte sie ihm spontan die Hand hin. Der Kardinal hütete sich freilich, diese zu ergreifen, und beugte vor der Königin dreimal das Knie.
    Indessen war ihre Not damit nicht zu Ende. Ludwig verlangte, daß sie ihr Geständnis schriftlich niederlege und dazu die feierliche Verpflichtung abgebe, nicht noch einmal in solche Irrungen zu verfallen. Dieses Schriftstück mußte sie eigenhändig abfassen und unterzeichnen.
    Mich brachte diese Milde ein wenig in Harnisch, doch bei ruhiger Überlegung verstand ich sie. Was konnte man anderes tun? Die Königin verstoßen und zurückschicken nach Spanien? Dann einen langen Prozeß beim Papst führen, damit er das eheliche Band löse? Aber wer wußte denn, ob man den Prozeß gewinnen würde? Der Papst war auf Ludwig wegen seiner Bündnisse mit den Ketzerländern nicht gut zu sprechen. Und wieviel verlorene Zeit für ein so zweifelhaftes Unterfangen!
    War es nicht besser, daß Ludwig in seinen beinahe täglichen Bemühungen fortfuhr, damit die Königin endlich einen Sohn bekäme, der nicht, wie bisher alle, noch vor der Geburt starb? Und was den Verrat anging, konnte man ihn, wenn nicht entschuldigen, so doch erklären. Die Königin liebte ihre spanische Familie über die Maßen. Nicht oft genug konnte sie ihren Gesellschafterinnenin Erinnerung rufen, daß sie die Tochter des seligen Philipp III. von Spanien war, die Schwester des regierenden Königs und auch des Kardinal-Infanten, Statthalter der Niederlande. Die Glorie ihrer Familie blendete ihre Augen! Wie klein und kleinlich kam ihr dagegen Frankreich vor! Und wie weinte sie an jenem Tag, als Ludwig XIII. ihre spanischen Damen wegen unverschämten Betragens zurückschickte in ihr Land. Und ihr französischer Gemahl, ach, wie wenig glich er den stolzen Hidalgos am spanischen Hof, die sie voller Respekt, doch mit feurigen Augen betrachtet hatten. Zu Anfang stotterte Ludwig, vor Frauen hatte er Angst. Er wagte ihr nicht ins Gesicht zu sehen. Seine ersten Versuche waren katastrophal. Schließlich mußte er in ihr Bett getragen werden, damit er endlich »die Ehe vollziehe«, wie der Apostolische Nuntius es ausdrückte. Zu spät für sie, als daß sie ihm dafür Dank gewußt hätte, das lange Warten hatte sie zu tief gedemütigt. Wohl sah es so aus, als ob ihre Beziehungen sich normalisierten, doch die Königin begriff nur zu bald, daß Ludwig nicht aus Liebe und Verlangen nach ihr regelmäßig ihr Lager beehrte, sondern daß er eine dynastische Pflicht erfüllte, um einen Dauphin zu zeugen.
    Allerdings war Ludwigs Erziehung nicht angetan gewesen, ihn die Liebe zum
gentil sesso
zu lehren. Er war der Sohn einer tyrannischen Mutter, die seinen männlichen Stolz zu brechen suchte, indem sie ihn jeglicher Macht beraubte und ihn bei jedem Wort demütigte, das er sagte. Außerdem umgab sie ihn ausschließlich mit häßlichen Weibern, damit er ja nicht aus einer Liebe, und sei es zu einer Kammerfrau, die Energie schöpfe, sich ihr zu widersetzen. Diese Haltung wurde durch die Erziehung verstärkt, die den Priestern oblag. Aus Angst, daß Ludwig seinem galanten Vater nachgeraten könnte, stellten sie ihm den Fleischesakt als den sichersten Weg dar, sein Seelenheil zu verlieren. Daß man diesen in der Ehe als eine peinliche Pflicht erfülle, mochte noch hingehen, aber daran Vergnügen zu finden hieß, dem Leib, jener »elenden Hülle«, zuviel Wert beizumessen. Ohnehin war jede Eva verdächtig, den Mann durch Lust dem Untergang zu weihen. Und so bildeten

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