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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Königin.
    »Madame, das werden wir vermutlich feststellen, wenn wir ihn lesen.«
    »Lest nur, Monsieur«, sagte die Königin in herablassendem Ton.
    Und mit betont neutraler Stimme verlas der Kanzler den Brief der Königin an Mirabel.
    Als er endete, rief die Königin: »Der Wisch ist eine Fälschung! Er ist nicht von meiner Hand.«
    »Madame«, sagte Séguier, »der König, der mehrere Briefe von Euch besitzt, hat sie mit diesem verglichen und Schrift und Unterschrift identisch gefunden.«
    »Dann wurden sie gut nachgeahmt!«
    »Er weist aber auch zwei Fehler auf, Madame, die Ihr im Französischen zu machen pflegt.«
    »Herr Kanzler«, fauchte die Königin, »untersteht Ihr Euch, mein Französisch zu kritisieren?«
    »Davor bewahre mich Gott, Madame! Aus meinem Mund spricht der König.«
    »Und bei wem habt Ihr den Wisch gefunden?«
    »Bei Eurem Schleppenträger.«
    »Und hat er Euch gesagt, daß der von mir ist?«
    »Nein, Madame. An ihm habt Ihr einen guten Diener. Von der ersten Frage an blieb er verschlossen wie eine Auster. Aber daß er von Euch ist, wissen wir von Augier.«
    Wäre die Königin unschuldig oder aber gerissener gewesen, hätte sie jetzt gefragt, wer dieser Augier denn sei und was er mit der Sache zu tun habe. Statt dessen fragte sie: »Und was hat Augier gesagt?«
    »Alles, Madame.«
    Damit war jede Hoffnung verloren, doch die Königin reagierte wie ein dummes Kind, sie riß dem Kanzler den Brief aus den Händen und steckte ihn in ihren Ausschnitt.
    »Madame«, sagte Séguier, »was Ihr da tut, ist verboten, das ist Unterschlagung eines Beweisstücks. Ich fordere Euch auf, mir den Brief zurückzugeben.«
    »Nein! Er ist sehr gut aufgehoben, wo er ist.«
    »Ist das Euer letztes Wort?«
    »Ja. Tausendmal ja.«
    »Nun, dann bin ich gezwungen, ihn wieder an mich zu bringen.«
    »Monsieur«, schrie die Königin, »wie könnt Ihr es wagen, Hand an eine königliche Person zu legen! Das wäre ein Majestätsverbrechen ersten Grades! Es würde Euch den Kopf kosten.«
    »Den Kopf, Madame, verliert nicht, wer dem König treu gehorcht. Diese Strafe würde ich, im Gegenteil, verdienen, wenn ich zuließe, daß Ihr diesen Brief behaltet und vernichtet.«
    »Monsieur! Macht einen einzigen Schritt auf mich zu, und ich rufe meine Leibgarde!«
    »Madame, da der König Euch kennt, hat er vorgebeugt. Er hat Eure Garde durch seine ersetzt, von daher könnt Ihr also nichts hoffen. Madame, gebt mir unverzüglich den Brief, oder ich nehme ihn mit Gewalt.«
    »Niemals! Niemals! Niemals!«
    Da trat der Kanzler unerschrocken vor die Königin und tauchte seine Hand in ihr Dekolleté. Und, offen gesagt, dafür daß ihm eine solche Übung nicht geläufig war, tasteten seine Finger nicht schlecht. Die Königin wurde ungehalten, griff selbst nach dem Brief und gab ihn wütend dem Kanzler.
    »Madame«, sagte der Kanzler, ins Knie fallend, »ich danke Euch, daß Ihr Euch besonnen habt, und wenn Ihr erlaubt, nehme ich jetzt von Euch Urlaub.«
    »Geht, geht, Herr Kanzler!« sagte die Königin. »Aber Ihr kommt nicht ins Paradies, das kann ich Euch versichern!«
    »Madame, wer könnte versichern, ob wir gerettet werden, wenn nicht allein der Allmächtige?«
    Hierauf erwies er der Königin seine drei protokollarischen Verneigungen und ging, Schweiß auf der Stirn, in der verkrampften Hand den Brief, dessentwegen er notgedrungen die Brüste der Königin von Frankreich hatte berühren müssen.
    Nun, die Königin blieb dabei, alles abzustreiten, wie ein kleines Mädchen, das im Beisein der Mutter in die Konfitüre gelangt hat, aber steif und fest behauptet, sie war es nicht.
    Immerhin war sie aber, Gott sei Dank, nicht so verbockt und starrsinnig wie die Königinmutter, zudem redeten ihre engen Freundinnen ihr zu, besser nicht weiter zu leugnen, weil das ihren Fall nur erschwere. Wenn sie hingegen alles gestehe, werde ihr, wie in der Affäre Chalais, ohnehin verziehen.
    Am siebzehnten August gab die Königin nach und bat um ein Gespräch mit dem Kardinal. Ja, Sie haben richtig gelesen, mit dem Kardinal, nicht mit dem König. Vor dem Zorn des Königs hatte sie zu große Angst, während sie sicher sein konnte, daß der Kardinal nicht zürnen würde. Sie schrieb es seinem geistlichen Kleid und seiner Güte zu. Worin sie sich täuschte. Der Kardinal hielt nichts von Frauen, es seien sonderbare Tiere, sagte er, und man könne von ihnen nichts Gutes erwarten. Seltsamerweise begegnete er ihnen trotz seiner Mysogynieziemlich duldsam; da sie nun

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