Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
diese Parteilichkeit keine Gefahr für das Reich.«
»Warum?«
»Weil die Königin naiv war. In ihrer Antwort auf einen geheimen Brief aus Madrid empfahl sie Mirabel in jenem berühmten Brief, alles ihm Mögliche zu tun, um eine Einigung zwischen Lothringen und Frankreich einerseits und andererseits ein Bündnis Frankreichs und Englands zu verhindern.«
»Und warum war das naiv?«
»Weil Mirabel in keiner Weise die Macht und die Mittel hatte, besagte Annäherungen zu verhindern. Lothringen, das bereits eine französische Invasion erlebt hatte, war nicht auf eine zweite versessen. Es wollte Frieden, zumal es durch Soissons’ Tod und Gastons Rückkehr in den Pferch seiner Alliierten beraubt war. Außerdem war es nach dem gebrochenen Versprechen,Frankreich gegen den Aufstand der Herzöge um Soissons Waffenhilfe zu leisten, nur mehr bestrebt, seinen mächtigen Nachbarn zu besänftigen.
Und was England betrifft, das seit langem der reformierten Religion anhängt, so hat es endlich begriffen, daß sein natürlicher Verbündeter nicht Spanien ist, das sich gänzlich dem Tridentiner Konzil und der Ausrottung der Protestanten mit Feuer und Schwert verschrieben hat, sondern sein Nachbar Frankreich, der einzige katholische Staat auf dem Kontinent, der die Protestanten toleriert und sie auf seinem Territorium in Frieden, ohne Ausschließung, ohne Verfolgung leben läßt.«
»Also, wenn ich es recht verstehe, mein Freund, können die Spanier jene beiden Bündnisse gar nicht verhindern. Aber«, fuhr sie fort, »was hattet Ihr denn heute morgen im Louvre zu tun?«
»Ich schrieb eine kleine Rede nach Richelieus Diktat.«
»Ist es nicht unter der Würde eines Herzogs und Pairs, für einen Kardinal zu schreiben?«
»Da es sich um diesen Kardinal handelt, ist es eine Ehre.«
»Und um was ging es in der Rede, wenn ich fragen darf?«
»Ihr dürft, mein Lämmchen, da er die Rede bereits gehalten hat.«
»Und vor wem hat er sie gehalten?«
»Vor den Gesandten Venedigs.«
»Und warum vor ihnen?«
»Weil es unsere Freunde sind und weil sie Richelieus Vertraulichkeiten in ganz Europa verbreiten werden.«
»Und was vertraute er ihnen an?«
»Richelieu ging es darum, den Verrat der Königin als unwesentlich darzustellen. ›Unsere Feinde‹, sagte er – und meinte selbstverständlich die Spanier –, ›unsere Feinde bedienen sich gewisser Mittel, die ich höchst ungern zur Sprache bringe. Sie benutzen Klosterfrauen, um die Königin zu Verfehlungen zu verleiten.‹«
»War es nicht eher umgekehrt?« fragte Catherine.
»Ich fürchte, ja. Dann sagte der Kardinal mit Nachdruck: ›Die Königin ist eine gute Fürstin, mit vielen Verdiensten ...‹«
»Ich wüßte gern, welchen!«
»Bitte, mein Lieb, es geht um die Königin von Frankreich! Also: ›Die Königin ist eine gute Fürstin, mit vielen Verdiensten. Sie hat keinen Fehler begangen, sie hat sich nur als Frau vonder Zuneigung und den Gefühlen, die sie für ihr Haus hegt, verleiten lassen.‹«
»Als Frau konnte sie sich doch ebensogut von dem Gefühl leiten lassen, das sie ihrem Gemahl und ihrem neuen Vaterland schuldet.«
»Mein Lieb, in einer politischen Rede geht es nicht um Wahrheit. Worauf es ankam, war, die Freunde und Feinde im Ausland zu überzeugen, daß König und Königin versöhnt seien und daß in Frankreich für die Fortführung der Dynastie alles zum Besten stehe.«
Das nämlich war der springende Punkt. Ludwig, der gegen sich selbst wie gegen andere gestrenge Mann, vergaß ihm angetane Kränkungen schwerlich, und obwohl er gesagt und sogar geschrieben hatte, daß er seiner Gemahlin verzeihe, grollte er ihr und konnte sich trotz den diskreten Mahnungen des Kardinals lange nicht überwinden, das Lager der Königin aufzusuchen. Nicht ohne sich diese Abneigung selbst zu verargen, weil er damit seine dynastische Pflicht versäumte.
Was ihm zu Hilfe kam, waren der Zufall und ein Sturm. Am fünften Dezember 1637 besuchte der König jenes mehrfach besagte Fräulein in ihrem Kloster. Er verweilte sich, wechselte durchs Gitter innige Blicke mit ihr, denn er war kein großer Redner, und die Person, wie er sie nannte, blieb nahezu stumm. Wußte sie doch, daß ihr dieser lange, schweigsame Besuch von der Mutter Oberin mit Eiseskälte und von den anderen Nonnen mit hämischem Getuschel vergolten würden.
Der König dehnte den Besuch lange aus, weil ihn so dringlich nach weiblicher Zuneigung verlangte. Kaum aber saß er auf, brach ein schweres Gewitter los,
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