Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
die guten Patres besten Willens einen jungen Mann heran, der sich als Erwachsener dem Dekolleté eines Mädchens mit einer Zange näherte. Tatsächlich verliebte er sich dann heftig in Mademoiselle de La Fayette, aber auch das blieb eine platonische Liebe. Seine Erziehunghatte ihn unauslöschlich geprägt. Und die Schöne empfand keine fleischliche Berufung. Sie ging ins Kloster. Dort besuchte er sie fast jeden Tag, und hinterm Gitter des Sprechzimmers, dem unüberwindlichen Hindernis, sprach er zu ihr ohne Ende. Obwohl Ludwig in den öffentlichen Belangen alles mit äußerster Energie betrieb, kam es ihm niemals in den Sinn, sich dieses Gitter öffnen zu lassen, wie das sein Vater getan hätte und sogar zweimal tat, als er Paris belagerte. Wie man sich erinnern wird, fand er gleich zwei reizende Nonnen, denen die Tugend noch nicht in den Leib gewachsen war.
***
Es ist eine Ironie der Geschichte, daß die Panik, mit der Gaston und Soissons aus Paris flohen, gar nicht gerechtfertigt war. Weder der König noch der Kardinal erfuhren jemals etwas von ihrem geplanten Attentat zu Amiens.
Gastons Abwesenheit bereitete dem König Sorgen, fürchtete er doch eine neue Torheit, wie es der Angriff auf Castelnadaury gewesen war, der viele gute Soldaten das Leben gekostet und den Herzog von Montmorency aufs Schafott gebracht hatte. Er trat mit Gaston in Verhandlungen, um ihn wieder an den Hof zu holen. Aber wie gewohnt, verlangte Gaston den Mond. Unter anderem sollte ihm der König im Reich eine Festung geben, in welche er sich im Fall eines Konflikts mit Seiner Majestät einschließen konnte. Das hieß vom König verlangen, ihn zum Widerstand gegen sich selbst zu bewaffnen. Die kindische Forderung wurde mehrmals erhoben und ebensooft abgelehnt.
Da kam die Nachricht, daß Soissons ein außergewöhnliches Komplott aushecke. Gaston sollte zu ihm nach Sedan kommen, dann wollte man die Königinmutter hinzuholen und sich mit dem Infanten verständigen, der die Niederlande regierte. Zu viert würden sie dann ein Manifest veröffentlichen, um den König zum Friedensschluß mit Spanien aufzufordern, der Kardinal sollte selbstverständlich ausgeschlossen bleiben.
Für diese Wirrköpfe war es ausgemacht, daß das französische Volk sich sogleich erheben würde, wenn der König jenes Manifest verwürfe.
Nun, das französische Volk erhob sich tatsächlich da und dort, aber aus Hunger und aus Protest gegen die Steuern, dieder König eingeführt hatte, um seinem Schatz aufzuhelfen und dem Krieg ein Rückgrat zu geben. Weder die durch ihr freiwilliges Exil bedeutungslos gewordene Königinmutter noch Gaston, der für seine fortwährenden Extratouren berüchtigt war, noch Soissons, der königliche Bastard, und erst recht nicht der Infant von Brüssel besaßen das nötige Prestige und die Autorität, um die Franzosen zum Aufstand zu bewegen. Es war also abzusehen, daß dieser knabenhafte Plan nur scheitern konnte. Und Gaston in seinem schönen Schloß Blois, wo es ihm weder an willigen Damen noch fröhlichen Kumpanen und reichen Gelagen gebrach, war auch nicht heiß darauf, sich in ein solches Abenteuer zu stürzen.
Eines Morgens im Februar kam ich in den Louvre, nicht zu Pferde, sondern in meiner Karosse, denn es war bitterkalt, auf der Seine trieben Eisschollen. Ich fand den König mürrisch und mißgelaunt. Bouthillier bedeutete mir, Platz zu nehmen und mich still zu verhalten, und ich verstand, daß der König und der Kardinal im Streit lagen, nicht übers Ziel, meine ich, aber über die Mittel. Es ging darum, den ewigen Auseinandersetzungen mit Gaston ein Ende zu bereiten. Der Kardinal schlug dem König vor, mit sechzehntausend Fußsoldaten und viertausend Mann Reiterei nach Blois zu ziehen, natürlich nicht, um gegen Gaston zu kämpfen, vielmehr nur um ihn einzuschüchtern, gemäß dem militärischen Rezept, man demonstriere Stärke, um sie nicht gebrauchen zu müssen. Der König wollte nicht, er fand diesen Plan »ungelegen«, wie er sagte. Ich glaube aber, daß diese Expedition mitten im kältesten Monat des Jahres ihn nicht nur wenig verlockte, sondern wage mit aller gebotenen Vorsicht die Hypothese, daß ihm wohl auch der Gedanke Kummer bereitete, drei ganze Wochen dem Gitter besagten Sprechzimmers fernbleiben zu müssen.
Aber so unerbittlich wie in seiner Rechtsprechung, war Ludwig es auch gegen sich selbst. Er ließ sich endlich doch auf diese Expedition ein, die ihn bei Frost und Schnee über vereiste Straßen führte. Und
Weitere Kostenlose Bücher