Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Politik zu strafen.
Nur daß die nach Couzières Verbannte sich durchaus nicht in Reue übte, sondern über den Kanal ihrer englischen Freunde weiterhin mit Spanien korrespondierte. Der Kardinal verdächtigteaber auch die Königin, nicht jede Verbindung zur Chevreuse abgebrochen zu haben. Und eines Tages bemerkte er einen ungewöhnlichen Umstand. Die Königin fuhr oft mit kleiner Begleitung zum Kloster Val-de-Grâce, ihre Andacht zu verrichten, wonach sie lange Unterredungen mit der Mutter Oberin führte, und der Kardinal vermutete, daß es sich nicht um harmloses Gezwitscher handelte.
Er unterzog die Mutter Oberin einem strengen Verhör und das Kloster einer Hausdurchsuchung. Es fand sich nichts, was aber auch nichts bewies. In Klöstern herrschen eigene Regeln.
Die Königin blieb also verdächtig. Gleichwohl glaubte sie in ihrem kindischen Leichtsinn, sie könne den Netzen des Kardinals entschlüpfen. In ihrer Verblendung schrieb sie mit eigener Hand einen Brief, und an wen? Gütiger Himmel, an wen anders als Mirabel!
Der Marquis von Mirabel, ein spanischer Edelmann von großem Talent, einst spanischer Gesandter zu Paris, wovon in diesen Memoiren angelegentlich die Rede war, danach Erster Minister Philipps IV. von Spanien, war endlich Stellvertreter, und ein überaus kostbarer Stellvertreter, des Kardinal-Infanten geworden, der die spanischen Niederlande recht und schlecht regierte.
Nachdem die Königin ihren Brief an Mirabel geschrieben hatte, wurde sie sich der ganzen Verwegenheit ihres Unterfangens bewußt und dachte sich für ihren Brief einen komplizierten Geheimweg aus. Zuerst vertraute sie ihn ihrem treuen Schleppenträger an, der sollte ihn seinerseits einem gewissen Augier, englischer Resident in Paris, übergeben, der ihn wiederum bei einer Reise nach Brüssel persönlich in Mirabels Hände legen sollte. Der Schleppenträger der Königin hieß La Porte. Als hochrangiger Diener trug er nicht nur die Mantelschleppe Ihrer Majestät, er erwies ihr auch tausend andere Dienste, denn er war ihr so leidenschaftlich ergeben, daß das Gesinde Ihrer Majestät raunte, er sei in sie verliebt.
La Porte, dessen sämtliche Bewegungen die Polizei beobachtete, wurde verhaftet, als er das Haus von Augier betreten wollte, der selbst spanischer Sympathien verdächtig war. Was dann geschah, erinnerte mich daran, wie Ravaillac von Henri Quatres Leibgarde verhaftet wurde. Sie nahm ihn fest, weil er um den Louvre herumstrich, als lauere er dem König auf. Sie durchsuchteihn aber zu fahrlässig, tastete seinen Körper nur bis zu den Knien ab. Hätte man ihn, wie es Pflicht gewesen wäre, ganz entkleidet, hätte man, an seine Wade gebunden, das tödliche Messer entdeckt, und Henri Quatre wäre nicht durch dieses Messer gestorben.
Die Gendarmen Ludwigs XIII. waren gewissenhafter. Sie zogen La Porte nackend aus, dann durchsuchten sie gründlich seine Kleider. So entdeckten sie, eingenäht unterm rechten Knie seines Beinkleids, den Brief der Königin an Mirabel.
La Porte wurde verhört und in die Bastille gesteckt. Seiner Herrin treu, hüllte er sich in Schweigen. Die Kerkermeister hätten ihn gerne der peinlichen Frage unterzogen. Der Kardinal fand es unnötig. Der Brief der Königin an Mirabel war der hinreichende Beweis ihres Verrats. Aufs neue wurde das Kloster Val-de-Grâce durchsucht. Seltsamerweise legte sich die Oberin, Mutter Saint-Etienne, krank zu Bett, als man ihr Kloster durchwühlte, und gefunden wurde wieder nichts. Man verkündete der Kranken, daß sie als Mutter Oberin abgesetzt sei und als einfache Nonne ins Kloster La Charité-sur-Loire versetzt werde. Der König übertrug das Verhör der Königin dem Kanzler Séguier, Erster Offizier der Krone, seit das Konnetabelnamt abgeschafft war. Obwohl zuständig für alle Lebensbereiche des Staates, vertrat der Kanzler hauptsächlich die Justiz, ein in seinem Amt überaus tüchtiger und gefürchteter Mann.
Was sich im Verlauf des Verhörs zutrug, erfuhr man von der Königin selbst, die sich nichts daraus machte, ihren Freundinnen am Hof das Ganze zu erzählen, ohne etwa den pikantesten Vorfall auszulassen.
»Madame«, begann der Kanzler mit sachlicher Stimme, nachdem er der Königin von Frankreich die protokollarischen Ehren erwiesen hatte, »der König hat mir einen Brief von Eurer Hand übergeben, der an den Marquis von Mirabel gerichtet ist und ihm gewisse Informationen über unsere Armeen mitteilt.«
»Der Brief ist nicht von mir!« protestierte die kleine
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