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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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im Unterschied zu unseren hohen Damen, die sich wie faule Katzen auf damastenen Kissen räkeln, hatte Madame de Guéméné sehr acht auf ihre »leib liche Hülle«, wie unsere Frömmlerinnen sich auszudrücken belieben, die übrigens nie auch nur eine Mahlzeit auslassen, um desto früher zu ihrem Schöpfer zu gelangen.
    In diesem Jahrhundert der Vielfraße (zumindest am Hof) aß Madame de Guéméné wenig, naschte nie Süßigkeiten, trank mehr Quellwasser als Wein und machte sich viel Bewegung. Als Catherine und ich sie einmal auf ihrem bretonischen Schloß besuchten, sah ich verwundert, daß sie in ihrem Teich zu schwimmen und alle Tage, die Gott werden ließ, auf ihrer Stute auszureiten pflegte. Dabei saß sie nicht im Damensattel, sondern rittlings wie ein Mann, und um deshalb nicht ins Gerede zu kommen, galoppierte Madame de Guéméné nur innerhalb ihres eigenen Besitzes, um das Schamgefühl fremder Betrachter nicht zu verletzen.
    Madame de Guéméné, Leser, hatte nicht nur hübsche Füße. Sie hatte auch Geist, ohne daß sie jemals den kleinlichen Wortklaubereien und Zierereien unserer gelehrten Damenzirkel verfiel. Ich entsinne mich, daß sie mir eines Tages sagte, ihrer Meinung nach könne eine Frau in der Ehe niemals glücklich sein. Sehr verdutzt, bat ich sie, ihre seltsame Ansicht zu begründen. »Wenn der Mann«, sagte sie lächelnd, »den Frauen gefällt, lebt sie in ständiger Unruhe. Gefällt der Mann den Frauen nicht, kann auch sie mit ihm nicht glücklich werden.«
    Wenig nach meinem Besuch bei Madame de Guéméné erschien eines Morgens gegen zehn Uhr an meiner Haustür ein struppiger kleiner Schmutzfink, aber mit blitzwachen Augen, und meldete mir, der ehrwürdige Doktor der Medizin Fogacerlasse fragen, ob er mich heute, vor oder nach dem Essen, besuchen dürfe.
    Catherine, die aufs erste Klopfen an unserem Tor neugierig herbeigeeilt war, sagte, unser Freund solle nur richtig zum Essen kommen, und zwar pünktlich um zwölf.
    »Ich werd’s ausrichten«, sagte der Junge.
    Als ich ihm ein Geldstück reichte, wollte er es zuerst nicht nehmen, der Domherr, sagte er, habe ihn schon bezahlt. Doch mußte ich nicht groß insistieren, daß er die Münze mit gieriger, wenn auch nicht allzu sauberer Hand trotzdem annahm. Zu meinem Erstaunen steckte er sie in seinen Mund. Da ich vermutete, er tue dies, um zu Hause von seiner Familie nicht um seinen Verdienst beraubt zu werden, fragte ich ihn, ob er Hunger habe. Er klopfte auf seine von dem Geldstück geblähte Backe.
    »Jetzt nicht mehr, Monseigneur«, sagte er.
    Meine Catherine war in Fogacer ganz vernarrt, und er erwiderte ihre Zuneigung, ohne daß es mich störte, der Leser weiß, warum. Fogacer kam, wie stets, von seinem hübschen kleinen Geistlichen begleitet, den Nicolas nicht ausstehen konnte und hinterm Rücken mit Schimpfwörtern wie »Luder« oder »Schlampe« bezeichnete, die ja gemeinhin liederlichen Weibern gelten.
    Ich weiß noch, daß wir bei dieser Mahlzeit Tränen lachten, als Fogacer das Geplapper unserer höfischen Zierpuppen nachahmte. Dazu nahm er eine Kopfstimme an und machte allerlei graziöses Getue, wie es bei unseren Präziösen gang und gäbe war.
    Erst nach beendeter Mahlzeit, als wir zu vertraulichem Gespräch im kleinen Salon Platz nahmen, rückte Fogacer mit seinem Anliegen heraus.
Sotto voce
stellte er mir verschiedene Fragen, ohne mir zu verheimlichen, daß er die Antworten dem Apostolischen Nuntius mitteilen werde, der sie per Kurier dem Papst übermitteln würde. Ich muß nicht betonen, daß meine Ohren taub und meine Zunge stumm geblieben wären, hätte Richelieu mich zu diesen Mitteilungen nicht geradezu autorisiert, allerdings indem er meiner Offenheit von vornherein Grenzen setzte.
    »Mein lieber Herzog«, sagte Fogacer, »als Ihr in geheimer Mission nach Brüssel reistet, um Gaston den königlichen Paßzu überbringen, müßt Ihr auch die Favoriten gesehen haben, mit denen er sich umgibt.«
    »Was, mein lieber Fogacer, wollt Ihr über sie wissen?«
    »Ihre Anzahl, ihre Namen.«
    »Es sind ihrer sechs, der wichtigste heißt Puylaurens. Es gibt noch andere, aber überanstrengt Eure Gehirnwindungen nicht mit dem Versuch, Euch alle die Namen zu merken. Ich schreibe sie Euch auf einen Zettel, bevor Ihr geht.«
    »Besten Dank. Und was sind das für Leute?«
    »Meint Ihr, vom Wesen her?«
    »Ja.«
    »Ganz wie ihr Herr: verantwortungslos. Alles wird angefangen, nichts beendet, und insgesamt tanzen sie wie Korken auf den Wassern

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