Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
er sich von diesem Gefühl dann, indem er seinen Minister herabsetzt und sich über seine Tyrannei beschwert.«
»Das ist allerdings ein reichlich kindisches Benehmen«, sagte Fogacer.
»Kindisch, mein lieber Fogacer?« sagte ich lachend. »Ein Benehmen des Königs kindisch zu nennen ist beinahe auch ein Majestätsverbrechen.«
»Zugegeben, und ich bereue es auf der Stelle«, sagte Fogacer mit einer geistlichen Gebärde seiner weißen Hände. »Zu mal man«, fuhr er fort, »anstatt von ›kindisch‹, besser von ›ver hängnisvoll ‹ sprechen sollte. Denn indem Ludwig sich gegen seine Entourage ständig über Richelieu beklagt, ermutigt er die Feinde des Kardinals, und Gott weiß, ob daraus nicht Komplotte gegen diesen entstehen, die bis zum Mord gehen könnten. Denkt an Amiens und was geschehen wäre, wenn im letzten Moment nicht die Furcht vor den schrecklichen Strafen des Königs Gaston den Mut genommen hätte. Ganz ähnlich könnte es auch mit Cinq-Mars passieren, die Kabale entsteigt ihrer Asche immer neu.«
Im Augenblick dachte der König, nachdem er die Spanier aus dem Artois verjagt hatte, nur daran, sie auch aus dem Roussillon zu verjagen, wo sie Perpignan, Collioure und andere große und kleine Küstenstädte besetzt hielten. Und während der König seine Armeen sammelte, sollte ich, wie man weiß, Spanisch lernen, und zwar in kurzer Zeit. Und bei wem, lieber Gott?
Von Richelieu kommend, lenkte ich meine Schritte durch die Korridore des Louvre zur Wohnung der Prinzessin von Guéméné, ich hatte in meiner schwierigen Lage ein großes Bedürfnis nach ihrem Rat und Trost. An der Kehre eines Korridors nun stieß ich geradewegs auf Graf von Sault.
»Sagt mir nicht, wohin Ihr mit so kummervoller Miene eilt, ich weiß es«, sagte er, nachdem er mich herzlich umarmt hatte. »Ihr wollt Euch Ermutigung bei der Prinzessin holen. Ach, teure Prinzessin! Was fingen wir großen, starken und wehrhaften Edelmänner wohl ohne ihre engelgleiche Liebenswürdigkeit an? Was mich darauf bringt, mein lieber Herzog, Euch, wenn Ihr erlaubt, eine indiskrete Frage zu stellen.«
»Wie ein Weiser sagte, gibt es keine indiskrete Frage, indiskret kann nur die Antwort sein.«
»Es freut mich, daß ich meiner Verantwortung ledig gesprochen werde. Darf ich?«
»Ich höre.«
»Die Frage lautet: Seid Ihr in unsere Prinzessin verliebt?«
»Ebenso wie Ihr, mein lieber Graf, und keinen Deut mehr. Im übrigen, sagtet Ihr eben nicht ›unsere‹ Prinzessin?«
»Papperlapapp«, versetzte er. »Werter Herzog, ich glaube Euch kein Wort. Sie ist völlig vernarrt in Euch, und ich könnte rasen! Fehlte nur noch, daß ich Euch auf die grüne Wiese bestellte, um den Fall zwischen uns zu entscheiden.«
»Ein Duell! Die Edikte des Königs brechen! Wollt Ihr uns auf öffentlicher Richtstatt dem Henker überliefern? Und wißt Ihr nicht, daß mein Vater mir das Geheimnis der Jarnac-Finte vererbt hat, die ich allerdings nie gegen Euch anwenden würde, und ginge es um mein Leben.«
»Warum denn nicht?« versetzte er herablassend.
»Wie könnte ich unseren Marsch über das eisige italienische Gravere vergessen, um der savoyardischen Armee in die Flanke zu fallen? In jener Nacht damals hat sich unsere Freundschaft gegründet, und die werde ich meinerseits niemals preisgeben.«
»Ach, ich doch auch nicht«, sagte Graf von Sault, und plötzlich rannen ihm Tränen aus den Augen, er schloß mich in die Arme und küßte wer weiß wie oft meine Wangen. »Mein Gott!« fuhr er fort, »was muß ich für ein Narr sein, daß ich so gegen meine Empfindungen zu Euch gesprochen habe. Bitte, mein bester Herzog, verzeiht mir meine unsinnigen Reden.«
Damit wandte er mir den Rücken und stob so eilends davon, als fliehe er sein eigenes Unglück.
Ganz verwirrt und aufgewühlt, setzte ich meinen Weg zur Wohnung der Prinzessin fort und klopfte an. Der Majordomus und zwei Diener öffneten mir, obschon einer genügt hätte.
»Monseigneur«, sagte der Majordomus mit einer Stimme, nahe der Impertinenz, »ich glaube nicht, daß Ihre Hoheit Euch heute empfängt. Sie hat sich ihrer Fußpflegerin überlassen und will niemand sehen.«
»Maggiordomo«
, sagte ich, »geht fragen, ob sie mich vorläßt, oder es könnte Euch übel bekommen«, setzte ich in leicht drohendem Ton hinzu.
Das hieß quasi als Hausherr reden, und der Majordomus, der sich über diesen meinen Stand noch nicht im klaren war, hielt es für klug zu gehorchen und kam tatsächlich eine Minute darauf
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