Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
und Domherr Fogacer (mein Majordomus ließ nie einen einzigen Titel meiner Besucher aus) und speiste mit Catherine und mir zu Mittag. Unserem langgewohnten Brauch gemäß zog ich mich nach der Mahlzeit mit ihm in mein Kabinett zurück, um ein letztes Gläschen Burgunder zu trinken, nicht ohne daß ich Catherine scheinheilig einlud, sich zu uns zu gesellen, was sie jedoch ablehnte, wie es sich gebührte, allerdings mit einem weniger gebührlichen übermäßig sanften Lächeln und Wort. Der Leser wird sich entsinnen, daß Fogacer und ich nun, mit aller Vorsicht, verschiedene Vertraulichkeiten austauschten, die ich dem Kardinal weitergab und Fogacer dem Apostolischen Nuntius.
An diesem Tag berichtete ich ihm, was der König über Cinq-Mars gesagt hatte und was der Leser bereits kennt.
»Mein Gott!« sagte Fogacer, »ich traue meinen Ohren nicht. Wie ist es möglich, daß Ludwig, der so stark von seinen königlichen Vorrechten erfüllt ist, der nie zögert, seinen Gerichtsherren, seinen Bischöfen den Marsch zu blasen, oder einen Höfling der sich ohne seine Erlaubnis vom Hof entfernt, in Ungnade zu stoßen, ja der sogar einen Herzog und Pair zum Tod verurteilte, sich die Unverfrorenheiten dieses teuflischen Zieraffen gefallen läßt?«
»Er liebt ihn, so wie er Mademoiselle de La Fayette oder Mademoiselle de Hautefort geliebt hat. Einige streuen hierüber mit gedämpfter Stimme allerdings schändliche Mutmaßungen aus.«
»Die so schändlich wie falsch sind«, sagte Fogacer, »denn meines Erachtens liegt in dieser Anhänglichkeit nicht die mindeste Spur von Schwulheit.«
»Und woher seid Ihr dessen so sicher?«
»Zum ersten ist die Königin auf diese Beziehung kein bißchen eifersüchtig, wie sie es auf Mademoiselle de La Fayettegewesen war. Zum zweiten bin ich überzeugt, daß der König, der ein so frommer Mann ist, sich für eine Handlung, die zugleich ein Ehebruch und Sodomie wäre, nicht um sein Seelenheil bringen will. Vergeßt bitte nicht, daß Ludwig die zehn Gebote hält wie ein Heiliger.«
»Aber wie kann man sich in solchem Maße in so einen kleinen höfischen Geck vergaffen?«
»Mein lieber Herzog, wenn man wie Ihr ein glühender Verehrer des
gentil sesso
ist, der beim leisesten Rascheln eines Reifrocks erbebt, fehlt einem für andere Emotionen das Verständnis.«
»Räumen wir diese Emotionen denn ein, so sehr sie mich auch verwundern mögen. Wie kann Ludwig dann aber hinnehmen, daß dieses Herrchen seine Nächte mit Marion de Lorme verbringt, daß er alle Morgen verschläft und in der übrigen Zeit nichts tut?«
»Nun ja, der König erträgt die Verrätereien, die Unverschämtheiten und Nachlässigkeiten seines Favoriten nicht allzu gut. Wie man mir erzählte, hat er ihn vorgestern hart dafür gerüffelt.
›Für einen Mann Eurer Stellung‹, hat er ihm gesagt, ›der darauf denken müßte, sich eines Armeekommandos würdig zu erweisen, ist Faulheit absolut unzulässig.‹
›Aber ich habe nie den Anspruch erhoben, eine Armee zu kommandieren‹, versetzte Cinq-Mars.
›Habt Ihr die Stirn, das zu leugnen? Habt Ihr ein so kurzes Gedächtnis?‹ entgegnete voller Wut der König. ›Wißt Ihr nicht mehr, daß Ihr die Belagerung von Arras befehligen wolltet?‹
Dieser Rüffel, der einen Mann von Verstand endgültig entmutigt hätte, blieb bei Cinq-Mars ohne Wirkung. Jeden militärischen Talentes bar, und übrigens auch jedes anderen, glaubte er sich in allem überlegen und strebte, der königlichen Gunst vertrauend, nach immer höheren Ämtern: Zuerst wollte er Gouverneur von Verdun werden, dann, als man es ihm abschlug, Mitglied des Großen Königlichen Rates. Als ihm auch das abgelehnt wurde, verlangte er ein Ministerium. ›Das einzige, dessen Ihr würdig wäret‹, sagte der König, ›ist das Ministerium der Faulheit.‹
Und wißt Ihr«, schloß Fogacer, »daß Cinq-Mars all diese Ablehnungen, obwohl sie vom König kommen, Richelieu zuschreibt?«
»Den Grund meine ich zu kennen«, sagte ich. »Der König, der seinen Minister bewundert und ihn um nichts auf der Welt missen möchte, fühlt sich durch seine glänzende Überlegenheit gleichwohl pikiert. In den Augen des Königs ist es nahezu ein Majestätsverbrechen, anderer Meinung zu sein als er oder ihm, wenn auch nur indirekt, zu widersprechen, und wenn er auch klug genug ist, einzusehen, daß Richelieu in fast allen Punkten recht hat, fühlt er sich doch gleichzeitig in seiner königlichen Würde gedemütigt. Ziemlich knabenhaft, befreit
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