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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Wohnung war überaus sauber.«
    »Kommen wir zur Belagerung von Arras zurück.«
    »Wir nahmen die Stadt nach zweimonatiger Belagerung, und Marschall de La Meilleraye, dem es nicht an Witz gebricht, sagte: ›Was beweist, daß die Mäuse doch Katzen fressen.‹
    Was Arras angeht, hätten wir es schwerlich so schnell besetzt, wenn die Spanier nicht mit uns verhandelt hätten. Dafür, daß sieuns die Stadt auslieferten, sollten wir ihnen freien Abzug samt Waffen und Gepäck gewähren. Was denn auch mit aller gebotenen Würde geschah, Ludwig verbot den Unseren, den Spaniern Geschrei und Schimpfreden nachzuschicken.«
    »Und dann, Monsieur, wurde die Stadt gebrandschatzt und geplündert, nehme ich an?«
    »Meine Liebe, Sie spotten! Eroberte Städte brandschatzen und plündern, das war Sache solcher Herren wie Bernhard von Weimar, mit Vergewaltigungen und Grausamkeiten ohne Zahl. Ludwig der Gerechte verbietet Schändlichkeiten, ohne freilich einiges Beutemachen verhindern zu können.«
    »Beutemachen?«
    »Es war, als stieße eine Wolke von Raben auf ein Kornfeld nieder. Als erstes befahl der König, die zu Skeletten abgemagerten Überlebenden zu ernähren, damit sie wieder menschliche Formen annahmen. Gleichzeitig zog er mittels verlockender Prämien junge Paare aus anderen französischen Provinzen nach Arras, um die eroberte Stadt neu zu bevölkern, damit sie ihren einstigen Wohlstand zurückgewinnen könne.«
***
     
    Ich hatte geglaubt, nach der Einnahme von Arras werde der König unverweilt nach Paris zurückkehren, und wie ich freute sich schon ein jeder auf sein Zuhause. Aber ach, der König blieb im Artois, er wollte seine Armee nicht eher verlassen, als bis alle Städte der Provinz erobert waren, was keine großen Schwierigkeiten mehr machte, die Kapitulation von Arras hatte die Spanier von der Unbesiegbarkeit der Franzosen überzeugt. Und so wohnte ich denn weiter bei meinen Gastgeberinnen in Douai.
    Sie sprachen einen ziemlich sonderbaren ländlichen Dialekt, und die Mutter hieß Marie, die Tochter Anne-Marie. Jeden Tag nach dem Mittagessen spielten sie Dame, und weil die Mutter jedesmal und meistens durch Mogeln gegen die Tochter gewann, erlaubte ich mir eine Bemerkung hierüber. Doch weit entfernt, in Verlegenheit zu geraten, entgegnete diese mir in ihrer schwer verständlichen Mundart ungescheut einen Satz, der, nehme ich an, soviel bedeutete wie: »Zuschauer haben gar nichts zu sagen.«
    Damit meine Einmischung mir vergeben werde, ließ ich Nicolas am nächsten Tag eine gute Flasche Wein für sie kaufen, der sie große Ehre erwiesen, sie tranken sie binnen einer halben Stunde leer. Bald bemerkte ich, daß sie, wenn sie sich über irgendein häusliches Vorkommnis aufregten, nie ausriefen: »Mein Gott!« oder »Herrgott!«, sondern stets: »Gütige Mutter!« oder »Heilige Jungfrau!« oder »Heilige Maria!« Nach allem, was ich erfuhr, nachdem der Wein ihnen die Zunge gelöst hatte, hatte Marie, die Mutter, einen bösen Vater und einen bösen Ehemann gehabt, die beide im Stande ihrer Schlechtigkeit gestorben waren, ohne daß das Leid, das sie um sich angerichtet hatten, sie bekümmert hätte. Wahrscheinlich weigerte sich deshalb die Tochter Anne-Marie, obwohl sie aussah wie die Venus von Botticelli, einen Mann zu nehmen. Und wahrscheinlich huldigten Mutter und Tochter auch deshalb so hingebend ihrem Marienkult. Die Wände des kleinen Hauses waren mit zahllosen Marienbildern geschmückt, jedoch sah man kein einziges Kruzifix, was mich auf den Gedanken brachte, daß die himmlischen Mächte für sie nur dann gut waren, wenn es weibliche waren, der unwürdige Vater und unwürdige Mann hatten den Herrgott ein für allemal aus ihren Gebeten verbannt.
    Ich war versucht, ihnen hierzu einiges zu bedenken zu geben, zum Beispiel, daß wir Jesus, und nicht seiner Mutter, die Evangelien verdanken. Aber ich besann mich und hielt den Mund, hätten sie mir doch leicht wieder ihr: »Zuschauer haben gar nichts zu sagen«, an den Kopf werfen können.
    Zum Abschied küßte ich sie beide auf ihre schönen roten Wangen, was sie höchlich verwunderte von seiten eines Herzogs, und nach kurzem Zögern tat Graf von Sault es mir nach.
***
     
    Was den König anlangt, so hatte er, als er in Paris, seiner guten Stadt, vom ganzen Volk gefeiert wurde, zunächst einen kleinen Kummer, dem eine große Freude folgte. Der Kummer wurde ihm bei seiner Heimkehr nach Saint-Germain durch den kleinen Dauphin zuteil. Kaum nämlich erblickte der seinen

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