Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
liebenswürdiger wieder, als er gegangen war.
»Monseigneur«, sagte er, »Ihre Hoheit empfängt Euch sogleich.«
Mir vorauseilend, führte er mich zu dem so sehr verwehrten Zimmer und entfernte sich nach tiefer Verbeugung.
Die Prinzessin von Guéméné hatte ihr Frühstück beendet, wie man an dem Geschirr auf einem kleinen Tisch ihr zu Häupten sah, und bot mit bis zu den Knien gerafftem Morgengewand der Pflegerin ihre nackten Füße dar, die sie der Bequemlichkeit halber ein wenig über den Bettrand hinausstreckte. Die Pflegerin saß auf einem Schemel und hatte ihre Instrumente auf einem Klapptischchen neben sich ausgebreitet. Sie schien mir mit Präzision und Zartgefühl vorzugehen, gleichwohl entschlüpften der Prinzessin entzückende kleine Schmerzenslaute. Und mir war vergönnt, sie anzuhören.
»Mein Freund«, sagte sie, »bleibt nicht da stehen wie ein Stock. Ihr macht mich ja schwindlig. Legt Wams und Stiefel ab und streckt Euch neben mir lang, Ihr dürft mir auch Eure Hand geben, damit ich sie drücken kann, wenn es zu weh tut.«
Die Fußpflegerin, ein Wunder an Taktgefühl, hob nicht einmal eine Braue, mich so halb entblößt an der Seite ihrer Herrin hingestreckt zu sehen. Und was mich betraf, fühlte ich mich wunderbar wohl dabei, wenn auch noch passiv, in diese köstliche weibliche Intimität einzutauchen. Gewiß verspürte ich einige Gewissensbisse, ihr wißt gegenüber wem. Doch vertrieb ich schleunigst die ungelegenen Störenfriede; mochten sie mich aufsuchen, wenn diese kleine Hölle hinter mir läge, die mich so paradiesisch verlockte. Zum Teufel, wetterte ich gegen den letzten Rest meines schlechten Gewissens, soll ich mich in düstere Reue stürzen, obwohl noch gar nichts passiert ist? Doch hatte ichkeine Zeit, mir die Gehirnwindungen weiter zu zerfurchen, denn die Prinzessin übernahm das Kommando.
»Mein Freund«, sagte sie, nachdem die Fußpflegerin verschwunden war, »geht, schließt den Riegel und bringt Eure Kleider in Ordnung. Ich kann halb angezogene oder halb ausgezogene Männer nicht ausstehen.«
Was für eine zweideutige Order, dachte ich. Soll ich nun mein Wams anlegen oder meine Beinkleider ablegen? Ich wählte die zweite Lösung. Und wenn ich danach ging, wie die Prinzessin mich jetzt betrachtete, hatte ich die richtige Wahl getroffen. Ich schlüpfte zu ihr unter die Decke und hätte sie auch gleich in die Arme genommen, wenn sie mir nicht Einhalt geboten hätte.
»Monsieur«, sagte sie, »dies ist nicht der Augenblick, die leichte Reiterei loszulassen. Zuerst haben wir über ernsthafte Dinge zu reden. Weshalb saht Ihr so verdrießlich aus, als Ihr hier eintratet?«
»Der König will das Roussillon zurückerobern, der Kardinal nicht anders, und deshalb befahlen mir beide, vor unserem Aufbruch Spanisch zu lernen. Das will viel heißen in kurzer Zeit.«
»Es ist doch aber eine große Ehre, Monsieur. Denn am französischen Hof gibt es viele Edelleute, die Spanisch sprechen, keiner indes besitzt gleichzeitig Eure diplomatischen Talente. Und nur deretwegen wurdet Ihr ausgewählt. Und wenn Ihr einen Lehrer sucht, der Euch die Sprache in so kurzer Zeit beibringen kann, sucht nicht länger, ich spreche das reinste Kastilisch.«
»Mein Engel, wie soll ich Euch danken?« sagte ich.
»Mein Freund, dieser ›Engel‹ ist in unserer gegenwärtigen Lage schwerlich angebracht. Aber fürchtet nun auch nicht länger, Euch bliebe zu wenig Zeit, unter meiner Fuchtel zu lernen. Der Feldzug nach dem Roussillon beginnt nicht gleich morgen.«
»Wieso?«
»Cinq-Mars hat den König verlassen, und in seiner Torheit versucht er eine Kabale anzuzetteln, die Richelieu stürzen soll.«
»Armer Cinq-Mars«, sagte ich. »Seit jeher konnte er sich mehr auf seine Schönheit als auf seinen Grips einbilden. Aber damit macht er sich nun zum jämmerlichsten Hanswurst des Reiches! Den Kardinal attackieren wollen! Er, der kleine Cinq-Mars! Es ist zum Heulen!«
»Heult nicht, mein Freund. Besinnt Euch des Augenblicks. Dieses Augenblicks, der vergeht und nicht wiederkehrt. Nun, worauf wartet Ihr?«
»Daß Ihr befehlt, die leichte Reiterei loszulassen.«
»Monsieur, Ihr schraubt mich! Wer hätte Euch für so rachsüchtig gehalten? Ich kann Euch nichts mehr befehlen. Mit dem Moment, da Ihr in mein Bett kamt, müßt Ihr wissen, habe ich den Befehl abgegeben.«
Hierauf nahm ich sie in meine Arme. Sie schmiegte sich zärtlich hinein, und der Rest des Vormittags war für jedes ernsthafte Gespräch
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