Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
recht verstand, wollten Sie mir das Netz der Informanten zeigen, Sie erzählen aber nur von einer Informantin. Ich nehme doch an, daß sich der Macht auch Männer für dieses schmutzige Geschäft zur Verfügung stellten?«
»Erlauben Sie, Madame, Sie in einem Punkt zurechtzuweisen. Ein Geschäft, das den Interessen des Königs dient, darf man niemals als schmutzig bezeichnen.«
»Monsieur, erklären Sie mir doch, warum es im Reich jetzt soviel Unzufriedenheit und Unruhe gibt.«
»Weil ein so langer Krieg, der übrigens immer noch andauert,ständig Gold, viel Gold, erfordert und die Taxen, die Fermen, die Taille all jene, die sie zahlen müssen, immer schwerer drücken.«
»Was ist die Taille?«
»Die höchste unserer Steuern.«
»Und die Ferme?«
»Eine Steuer, die von den Steuerpächtern, die dem König die festgelegte Steuersumme vorgeschossen haben, mittels einer ehrbaren Kommission eingezogen wird.«
»Und was ist die Taxe?«
»Das ist eine zusätzliche Zahlung, die der König von jedem fordert, der ein Produkt kauft. Am verrufensten von allen Steuern ist aber die Gabelle, die auf dem Salz liegt, zu dessen einzigem Eigentümer im Reich sich der König erklärt hat. Und nicht allein, daß man es von ihm und zu seinem Preis kaufen muß, ist man obendrein gezwungen, ihm eine bestimmte Menge abzukaufen, ob man will oder nicht.«
»Das ist ungerecht.«
»Viel ungerechter ist die Taille. Der Adel zahlt sie nicht, auch nicht die Gerichtsherren, noch die Bischöfe, noch die hohen Diener des Königs. Doch sind die Bischöfe zu einer ›freiwilli gen Spende‹ angehalten, deren Höhe sie allerdings aushandeln dürfen, was ihnen die Sache leichter macht. Es gibt auch ganze Städte – wie Paris –, die ›frei‹, das heißt frei vom Steuerzwang, sind. Letzten Endes, und darin liegt eine unerträgliche Ungerechtigkeit, muß die Taille von den Ärmsten, den Bauern hauptsächlich, gezahlt werden, was diese auch schon zu Aufständen trieb – so die Barfüßler in der Normandie, die Hungerleider im Languedoc –, die jedoch von den Soldaten des Allerchristlichsten Königs sogleich im Blut erstickt wurden.«
»Und wer zieht die Taille und die Fermen ein?«
»Die sogenannten Finanziers. Für den König haben diese Leute einen großen Vorteil. Er kann bei ihnen bedeutende Anleihen aufnehmen, die sie in Form der Fermen und der Taille dann wieder für sich eintreiben. Der große Nachteil dabei ist, daß sie beim Einzug der Taille und der Fermen dazu neigen, die königlichen Schulden mit ihren eigenen Begierden zu verwechseln. Kurzum, die Dinge im Land gingen drunter und drüber, als ein neuer Generalkontrolleur der Finanzen namens Particelli auf die abgeschmackte Idee kam, die Reichen zur Kasse zu bitten.«
»Warum abgeschmackt?«
»Weil die Reichen, weil sie reich sind, alle Mittel und Wege kennen, sich zu wehren.«
»Und was machte Particelli?«
»Er grub ein Edikt aus, das schon ein Jahrhundert alt und laut dem es verboten war, Häuser außerhalb der Stadtmauern zu bauen. Wie oft in Frankreich, war dieses Edikt aber nie zur Anwendung gelangt. Und Particelli bildete sich ein, er könne es jetzt in Geltung setzen und die Eigentümer besagter Häuser mit fünfzig Sous pro Quadratklafter belangen. Nun wohnten in jenen Vororten aber viele Gerichtsbeamte, sei es als Hausbesitzer oder als Mieter. Mein Gott, armer Particelli! Sich mit Richtern anzulegen! Von denen man allerdings nicht erwartet hätte, daß sie gegen Gesetze verstoßen würden, anstatt sie zu befolgen. Was sie jedoch taten. Sie zettelten einen Volksaufstand an, bei dem plötzlich die Armen zu Verteidigern der Reichen wurden. Die Regentin begann damit, zwei, drei der Anführer zu verbannen, rief sie aber eilends zurück, womit das Edikt denn ein für allemal tot und begraben war. Nun, meine Liebe, was sagen Sie dazu?«
»Zum ersten, daß Frankreichs jetzige Regierung schwach ist, und zum zweiten, daß die Franzosen aber auch den großen Fehler haben, jeglicher Autorität von Natur aus feindlich zu sein. Es ist also nicht ungefährlich, ihnen nachzugeben, wenn sie rebellieren, und auf Bastille und Richtblock zu verzichten.«
»Liebe Freundin, Sie sprechen ein großes Wort gelassen aus. Ach, Richelieu, Richelieu! Daß du nicht mehr unter uns weilst!«
***
Am nächsten Tag erstattete ich Mazarin Bericht über mein Gespräch mit Guron und Fogacer hinsichtlich der Informanten. Trotz der diesmal späteren Stunde wollte ich das Palais Royal nicht
Weitere Kostenlose Bücher