Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
verlassen, ohne die Prinzessin von Guéméné zu besuchen. Zu meiner großen Verwunderung fand ich sie zerrauft, wütend und fast in Tränen aufgelöst.
    »Meine Liebe, meine Liebe!« rief ich, indem ich sie in die Arme nahm, »was ist denn? Woher diese Tränen?«
    »Ach, ich könnte rasen. Die Königin gibt heute abend einen Ball im Palais Royal, und mein Beichtvater verbietet mir, daranteilzunehmen, weil ich heute morgen die Hostie empfangen habe.«
    »Verflixt! Und wer ist dieser Beichtvater?«
    »Der Abbé Saint-Cyran.«
    »Saint-Cyran! Mein Gott, der ist doch, seit Bérulle tot ist, das Oberhaupt der Erzfrömmler in Frankreich! Meine Liebe, welcher Teufel hat Euch geritten, den zu wählen? Er ist ja spanischer als Philipp IV. und katholischer als der Papst. Richelieu hatte ihn einige Zeit in Vincennes eingesperrt, weil er
urbi et orbi
die protestantischen Allianzen des Königs verdammte. Saint-Cyran! Ein Mann, der den wahnwitzigen Ehrgeiz hat, jedes Gewissen in Frankreich nach seiner engherzigen und fanatischen Pfeife auf den rechten Weg zurückzuführen. Zu Eurem Glück geht es ihm nicht allzu gut, und Fogacer, der ihn behandelt, sagt, daß für ihn der Tag der ewigen Seligkeit nicht fern ist.«
    »Ist das wahr? Mein Gott, dann bin ich ja heilfroh.«
    »Madame«, sagte ich lachend, »heilfroh! Was sagt Ihr da? Vergießt Freudentränen, weil Euer Beichtvater stirbt! Wenn er erst im Paradies ist, werdet Ihr hoffentlich alle Tage für ihn beten, weil er Euch dann nichts mehr tun kann.«
    »Ich verspreche es«, sagte sie tiefernst.
    Dieser Ernst amüsierte und rührte mich zugleich, ich nahm sie fest in die Arme und wäre sicherlich weitergegangen, hätte sie mir nicht zugeflüstert, daß ein weibliches Unwohlsein es verbiete.
    »Gut«, sagte ich, »dann plaudern wir! Und zuerst über Euch. Ich hoffe, meine Liebe, Ihr werdet Saint-Cyran nicht gehorchen, der sich übrigens besser Saint-Tyran nennen sollte, so erpicht, wie er darauf ist, anderer Gewissen zu lenken.«
    »Ihr meint, ich soll zu dem Ball gehen?« fragte sie ängstlich.
    »Bei allen Heiligen, geht hin, Madame! Nirgendwo in den heiligen Büchern und Konzilsbeschlüssen steht geschrieben, daß jemand an einem Tag, an dem er das Abendmahl empfangen hat, nicht tanzen darf. Bitte, Liebe, Ihr werdet Euch doch nicht der Tyrannei dieses Schelms unterwerfen, der sich für die Bitternis seiner dummen Keuschheit am weiblichen Geschlecht zu rächen sucht. Aber ich kannte eine Dame«, fuhr ich fort, »die sich bestens aus der Affäre zog, indem sie ihren tyrannischen Beichtiger verabschiedete und sich statt seiner einen Jesuiten wählte.«
    »Einen Jesuiten? Sie stehen nicht im besten Ruf.«
    »Aber wer macht sie denn schlecht, wenn nicht die Pfarrer unserer Kirchen, weil die Jesuiten ihnen zu viele Beichtkinder wegschnappen, und das mit gutem Grund.«
    »Kennt Ihr einen Jesuiten, der mir gefallen würde?«
    »Ich nicht. Aber bestimmt weiß der Domherr und ehrwürdige Doktor Fogacer einen für Euch zu finden.«
    »Wer ist dieser Fogacer?«
    »Ein langjähriger Freund von mir, der schon der Freund meines Vaters war. Ein Mann voller Wissen, Weisheit und Liebenswürdigkeit.«
    »Könnte er es nicht selbst übernehmen?«
    »Nein, er nimmt keine Beichten mehr ab. Er ist jetzt ein hochgestellter Herr geworden. Er ist Berater beim Apostolischen Nuntius.«
    »Kann ich ihn mit Euch und der Frau Herzogin von Orbieu zum Essen einladen?«
    »Besser ohne mich und meine Gemahlin.«
    »Und wie sind Jesuiten als Beichtiger?«
    »Wenn man sie verwöhnt, sind sie sanftmütig, taktvoll und liebenswert.«
    »Wenn man sie verwöhnt! Lieber Himmel!«
    »Keine Bange, Madame! Nicht um sie selbst geht es, sondern um ihren Beutel.«
    »Mein Gott, wäre ich froh, wenn ich mich nicht mehr von diesem öden Beichtvater tyrannisieren lassen müßte. Und das steht fest, ich gehe heute zum Ball der Königin. Kommt Ihr auch?«
    »Catherine ist für derlei nicht sehr zu haben.«
    »Ist sie so fromm?«
    »Aber nein. Sie fürchtet, daß eine der zierlichen Damen, die sich in ihrem Reifrock zu berauschender Musik drehen, ihr mein Herz abspenstig machen könnte.«
    »Ist es wirklich das Herz, um das es geht?«
    »Madame! Reden wir besser von der Königin. Liebt Ihr sie?«
    »Im einzelnen nicht. Im ganzen ja.«
    »Das erklärt mir bitte.«
    »Sie kann fürchterlich streitsüchtig sein, schreien, daß es einem in den Ohren gellt, wenn sie zornig ist, aber sie ist ein warmherziger Mensch. Sie ist für

Weitere Kostenlose Bücher