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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Unglück wie Glück andererempfindlich. Obwohl sie seit ihrer Witwenschaft in strenger Keuschheit lebt, empfängt sie mit Vergnügen die Ehrungen ihrer Edelleute. Und über alles liebt sie ihren Sohn, und ihr Sohn erwidert es ihr. Sobald er hört, daß sie erwacht ist, kommt er in ihr Zimmer gelaufen, zieht die Vorhänge auf, hüpft zu ihr ins Bett, und dann wird er gestreichelt, geküßt und geliebkost ohne Ende. Und er gibt ihr alle Zärtlichkeiten stürmisch zurück. Wenn Anna aufsteht und sich von Kopf bis Fuß badet, darf er ihr dabei zusehen, umgeben von hübschen Kammerjungfern, die ihm währenddessen das Gesicht waschen, ihm die Haare bürsten und seinen Nacken dabei gerne an ihren Busen lehnen. Glücklicher Knabe! Wie ganz anders als sein Vater, der nur eine harte und lieblose Mutter kannte, wächst dieser Kleine, umgeben von weiblicher Zärtlichkeit, heran.«

DREIZEHNTES KAPITEL
     
    Als Mazarin auf Richelieu folgte, bat er mich, weiterhin den Gerichtshof aufzusuchen, was mir je nach Gelegenheit erlaubte, den Herren nicht so sehr Rat zu erteilen als zu hören, was sie sagten, und zu erspüren, was sie in meiner Gegenwart lieber ungesagt ließen.
    Ihre unausgesprochene Feindseligkeit mir gegenüber war im Anfang derart gewesen, daß ich schon fürchtete, sie würden unversehens einen Mörder dingen, um mich zu beseitigen, weshalb ich mich stets mit starker Begleitung zum Gerichtshof begab.
    Auf die Dauer aber sahen sie mich mit günstigerem Auge, hatte ich sie doch mehr als einmal vor Dingen gewarnt, die ihnen hätten gefährlich werden können.
    Es versteht sich von selbst, daß ich nach Richelieus Tod in ihren Augen sehr an Bedeutung verlor, so daß sie sich in meinem Beisein keinen Zwang mehr antaten, über die Regentin und ihren Minister herzuziehen, ohne sich allerdings an den kleinen König zu wagen.
    Die Bestrebungen dieser Herren hatten sich freilich kein Jota geändert. Zu Lebzeiten Ludwigs XIII. hatten sie unaufhörlich versucht, einen Teil der königlichen Macht zu untergraben, dafür waren sie zu wiederholten Malen von Ludwig schroff gerügt worden. Jetzt nahmen sie ihre Absichten mit mehr Sicherheit, ich sollte sagen, sogar mit mehr Dünkel wieder auf, denn die Erfolge des englischen Parlaments gegen seinen König Karl I. stiegen ihnen zu Kopfe und machten sie ungeduldig wie heißblütige Pferde. Was für arge und unziemliche Reden führten diese würdigen Herren der Robe jetzt nicht
sotto voce
über die Regenschaft, über Mazarin und Particelli, den neuen Oberverwalter der Finanzen.
    Der Krieg, der große Geldverschlinger, hatte den königlichen Schatz aufs trockene gesetzt, und die Königin versuchte ihn durch tausend Mittel wieder flottzumachen, was nur durch neueSteuern möglich war. Unsere Gerichtsherren aber kümmerte nicht das verfolgte Ziel noch der Krieg an unseren Grenzen. Sie fanden es vorteilhafter, die Mittel zu kritisieren, durch welche Particelli die beiden Zwecke zu verknüpfen suchte. Die weisen Gerichtsherren wußten, wie verhaßt dem Volk die neuen Steuern waren, und unterstützten es hierin als eine Kraft, derer sie sich bei Gelegenheit bedienen könnten.
    Unter den verzweifelten finanziellen Maßnahmen Particellis will ich nur eine nennen, die Steigerung der Paulette.
***
     
    »Monsieur, wer ist dieses Persönchen, und was hat es mit diesen ernsten Dingen zu tun?«
    »Schöne Leserin, die Sache ist kompliziert, und ich benötige Ihren ganzen Scharfsinn, damit alle, die mich lesen, sie auch verstehen. Die Paulette, liebe Freundin, ist keine Person, wie man denken könnte. Sie ist ein Gesetz, und zwar ein höchst unerfreuliches. Es wurde von einem Mann namens Paulet erfunden, der ihm stolz seinen Namen gab. Und damit hatte es folgende Bewandtnis. Wenn ein Amtsinhaber, der sein Amt käuflich erworben hat, seinen nahen Tod voraussieht, kann er besagtes Amt seinem Sohn vererben, indem er jene berüchtigte, Paulette genannte Steuer entrichtet, deren Höhe alle neun Jahre neu ausgehandelt wird. Die Erbschaft ist aber nur gültig, wenn der Erblasser noch über vierzig Tage lebt.«
    »Was für eine abscheuliche Hirnverdrehtheit! Und welchen Vorteil hat der König davon?«
    »Einen beträchtlichen. Wenn die vierzig Tage nicht überlebt werden, wenn der Betreffende vor dieser Frist stirbt, geht sein Sohn leer aus zugunsten des Königs, der das Amt neu verkaufen kann, wann und an wen er will.«
    »Und was machte Ihr Particelli, um diese ungerechte Bestimmung zu verbessern oder zu

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