Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
erfuhr. Mein Zimmer war schön und blickte auf weite Wiesen, und seltsam, der Anblick dieser friedlichen Landschaft besänftigte mich. Aber als es auf den Abend ging, konnte ich mich der Gedanken an die Prinzessin von Guéméné nicht erwehren, und die taten sehr weh.
Meine Wirtin hatte zwar Namen und Manieren wie eine Adlige, sie war es aber nicht. Sie ließ sich Madame du Bousquet anreden, nach einem Haus, das sie in der Dordogne besaß und das einen Turm aus dem 14. Jahrhundert hatte.
Am Hof bezeichnete man solche falschen Adelssitze boshaft als »Seife der Gemeinen«, wobei man vergaß, daß so manche der echten Adligen sich derart schlecht benahmen, daß sie ein Stück Seife größten Ausmaßes gebraucht hätten, um sich von ihren Gemeinheiten zu reinigen.
Die Abreise des Königs nach Saint-Germain verbreitete in Paris Bestürzung und Beklommenheit. In erster Linie, weil er der Gesalbte des Herrn war und ein jeder mit seiner Person etwas Heiliges verband. Dann aber auch, weil die Pariser fürchteten, der König werde kommen und seine Hauptstadt mit einer starken Armee belagern. Vor dieser unheilvollen Aussicht und aus einem Gemisch von Tapferkeit und Naivität versuchten sie, sicheine Armee zu schaffen. Sie rekrutierten als Soldaten Arbeiter, die noch nie im Leben eine Muskete geschultert, und als Offiziere Bürger, die nie im Leben einen Degen gezogen hatten. Zum General wählten sie Conti, weil er Prinz von Geblüt war. Nur bürgt Geblüt nicht für alles. Conti war klein, bucklig, der Kirche verschrieben und zeigte sich alles andere als kämpferisch.
Da die königliche Armee nicht anrückte, beschlossen die Aufrührer, die Bastille anzugreifen, die ja bekanntlich ein eher angenehmes Staatsgefängnis war, wo nur die Großen einsaßen, die der Fürsorge höflicher Wärter überantwortet waren. Das Essen war gut, der Keller vorzüglich und Damenbesuch in den Zellen der Gefangenen durchaus nicht verboten.
Die Aufständischen bauten ihre Batterie Geschütze im Garten des Arsenals auf. Das versetzte die reichen bürgerlichen Damen der Umgegend in fiebrige Erregung, und weil sie wußten, daß die Bastille weder Soldaten noch Kanonen hatte, hießen sie ihre Dienerschaft ihre Lehnstühle in den Garten des Arsenals tragen, wo Conti seine Batterien aufgestellt hatte. Da saßen sie denn anmutig in ihren schönsten Kleidern und ergötzten sich daran, welche Löcher die Kanonen in die Mauern schlugen. Bei diesem Genuß blieb es indes nicht lange, denn bald wurden die Tore der Bastille aufgetan, die schönen Damen sowie unsere wackeren Krieger konnten eintreten, sie entdeckten sogleich den berühmten Keller der Bastille, tranken sich voll und gratulierten sich zu dem glänzenden Erfolg ihrer Waffen.
***
»Monsieur, darf ich Sie kurz unterbrechen? Kann die Fronde der Pariser und der Krongerichte damit als beendet betrachtet werden?«
»Nicht ganz. Aber stark ist sie darum doch nicht. Ihr fehlt es an Mitteln zu kämpfen und Paris zu halten.«
»Dann ist die Fronde also zu Ende?«
»Leider nicht! Denn die Fronde der Großen kommt erst noch, und die ist von anderem Kaliber.«
»Hat die nicht schon mit dem Abfall des Prinzen Conti und des Herzogs von Longueville begonnen?«
»Diesen großen Herren, auch wenn sie natürlich Große sind, stehen doch nur geringe Mittel zu Gebote. Da ist der Abfall desgroßen Turenne schon von anderer Bedeutung, denn Turenne besitzt eine wunderbare Armee aus deutschen Söldnern, die er von Bernhard von Sachsen-Weimar geerbt hat, der, wie Sie sich erinnern werden, Freiburg und Breisach für uns erobert hatte. Turenne war ein argwöhnischer, streitbarer und nachtragender Charakter. Die Regentin hatte ihm die Summe zur Entlohnung seiner Söldner nicht genehmigt, und er machte für diese Schwierigkeiten Mazarin verantwortlich, der aber einfach nicht anders konnte, es war kein Geld da.
Dabei hatten die Königin und Mazarin ihm, wenn er nachgeben würde, den Gouverneursposten des Elsaß versprochen, eine Gunst, die er in hohem Maß verdiente, denn ohne ihn wäre das Elsaß nicht französisch geworden. Doch hatte die Königin an dieses generöse Angebot eine Bedingung geknüpft: um zum Gouverneur des Elsaß ernannt zu werden, sollte Turenne sich zum Katholizismus bekehren.
Turenne antwortete auf diese Forderung zunächst mit keinem Laut, er fand sie unzulässig und demütigend.
›Madame‹, sagte er schließlich, ›ich bin und bleibe Eurem Dienst stets ergeben. Aber meine Religion ist
Weitere Kostenlose Bücher