Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
die schreckliche Herzogin von Chevreuse wiederfand, andere Namen aber erschienen nun zum erstenmal: die Pfalzgräfin und die Herzogin von Longueville. Die letztgenannte brachte 1650 die Normandie gegen Königin Anna auf. Sofort, mitten im Februar, bei bitterkaltem Wetter, beschloß die Königin, die diese Weiber des hohen Adels erbittert bekämpfte, sich ihre verlorene Provinz selbst zurückzugewinnen. Sie eroberte sie binnen zwanzig Tagen. Nebenbei bemerkt, ersetzte sie in Rouen den von ihr seines Amtes enthobenen Staatsanwalt der Normandie durch Pierre Corneille, der in besagter Stadt ein sehr schönes Haus besaß und, wie man hörte, so schöne Tragödien in Versen schrieb. Natürlich zerrissen sich dieUngebildeten und Ungelehrten darüber die Mäuler: Verse! Ein Staatsanwalt, und Verse machen!
Die Königin, die genausoviel Mut hatte wie Rodrigue in der bewußten Tragödie, ließ es dabei nicht bewenden. Kaum wieder in Paris, ging sie nach Burgund, das sie im Handumdrehen befriedete. Und eben erst zurückgekehrt, brach sie schon wieder nach der Guyenne auf, die am Rand der Revolte stand. Nach dem Wunsch der Königin begleitete ich sie auf dieser Reise, denn weil ich Lateinisch, Englisch, Deutsch, Italienisch und Okzitanisch sprach, dachte sie, ich verstünde auch die Mundarten aller unserer Provinzen. Daran fehlte viel, doch hätte ich sie von dieser Vorstellung ebensowenig abbringen können wie von ihrem Beschluß, und todtraurig mußte ich wiederum meine Gemahlin und meine Kinderchen für lange Wochen verlassen. Wenigstens hatte ich den Trost, mit Fogacer zu reisen, was aber beinahe noch gescheitert wäre, denn er bestand darauf, einen neuen kleinen Begleiter mitzunehmen, der, wie er sagte, unter seiner Anleitung Elemente der Medizin erlernte und musterhaft den Aderlaß praktizierte.
Der junge Mensch hieß Babelon, und als ich ihn sah, fand ich, daß er weit treffender Babelette geheißen hätte, denn ein paar kleine Veränderungen, und er hätte ein hübsches Frauenzimmerchen abgegeben.
Nachdem ich bei Anna von Österreich erreicht hatte, daß sie außer mir auch Fogacer und Babelon mitnahm, ließ der Leibarzt der Königin es sich angelegen sein, krank zu werden, so wenig mag ihn der Gedanke verlockt haben, bei kaltem Wetter Hunderte Meilen in einer stuckernden und rasselnden Karosse zurückzulegen.
Nicht ohne Schmerz verließ ich also die Meinigen. Immerhin wurde mir aber von der Königin erlaubt, in meinem eigenen Gefährt zu reisen, zusammen mit Nicolas, Fogacer und Babelon und mit meinen Wagnern im Gefolge. Am Tag vor dem Aufbruch ging ich mich von der Prinzessin von Guéméné verabschieden und fand sie in Tränen. Der Koadjutor hatte mit ihr gebrochen, was abzusehen war, der künftige Bischof hatte mehr Frauen um sich als ein Hund Flöhe.
So große Genugtuung ich auch empfand, heuchelte ich artig Mitleid mit ihrem Kummer, ohne mich aber auf ihre Avancen einzulassen. Bis zu unserer Versöhnung, fand ich, sollte denndoch erst einige Zeit verstreichen. Ehrlich gestanden, grollte ich ihr heftig wegen ihres Verrats, und auf der Heimfahrt, warm eingehüllt und ein Heizbecken unter den Füßen, überließ ich mich meinen Gedanken an sie, die alles andere als fröhlich waren. Zumal ich gleichzeitig tiefe Reue fühlte, die beste Gemahlin hintergangen zu haben. Auf einmal zerfiel mir meine Philosophie. Was ist das Leben, dachte ich, wenn man seine Nächsten nicht genug zu lieben weiß? Und warum, verflixt, ist die Liebe Wonne und Qual in einem und schlägt uns tagtäglich so viele Wunden?
Jeden Morgen bestieg die Königin, von ihren Frauen sorglich frisiert und geschminkt, ihre Karosse. Sie ließ mich dann rufen, um ihr Gesellschaft zu leisten, und ich wußte, warum. Sie liebte Komplimente über alles, verabscheute aber jeden dreisten Versuch, ihr den Hof zu machen. Wer sich dazu vermaß, dem antwortete sie mit größter Verachtung: »Nun sehe doch einer den kleinen Galan! Ihr könnt mir leid tun! Man sollte Euch in eine Irrenanstalt schicken!« Wenn man hingegen mit dem tiefsten Respekt sagte, es scheine Ihrer Majestät heute morgen wunderbar zu gehen, sie habe so lebhafte Augen, den reinsten Teint und so frische Farben, war sie entzückt, ohne es doch im mindesten zu zeigen, vielmehr hörte sie es gelassen an und wie entrückt.
Alle Höfe Europas wußten durch ihre Gesandten, daß sie die schönsten Hände der Welt hatte, der ganze französische Hof wußte aber auch, daß man ihr dafür kein Lob
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