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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Stadt freigebig nach rechts und links austeilte. Denn wer wollte einen Priester umbringen und dafür exkommuniziert werden, gerade wenn man von ihm gesegnet wird? Außerdem verstand es Gondi, sein öffentliches Bild zu pflegen. Seit dem März schon hatte er sechsunddreißigtausendTaler an die Pariser Armen verteilt. Sie hatten es ihm nicht vergessen, und so rief er denn überall auf den Straßen der Hauptstadt das Volk auf, den Bau der Barrikaden sein zu lassen, denn er zählte deren schon bald über tausend. Doch Gondis Erfolg war höchst begrenzt. Man warf dem Hof vor, er verspreche ja Broussels Heimkehr nur, ohne ihn wirklich freizulassen. Gegen Versprechen von jeher tief mißtrauisch, verlangten die Pariser, man solle ihn erst freigeben, dann werde auch die Ruhe wiederkehren.
    Ich weiß nicht, ob die Königin die Pariser in dieser Sache übers Ohr hauen wollte, jedenfalls aber war es ein Fehler, zu versprechen und nicht gleichzeitig zu halten. So folgten denn Gondi, als er von seinem Kreuzzug zum Palais Royal eilte, Tausende Männer und Weiber nach, die lauthals Broussels Freilassung forderten.
    Tags darauf zeigte sich eine neue höchst beunruhigende Erscheinung. Die Pariser Bürger, die gemeinhin das Volk verachteten, aber dennoch wie jedermann unter den unmäßigen Steuern litten, bauten ebenfalls Barrikaden und bewaffneten sich. In dem drohenden Aufruhr erkannte einer der Rebellen den Kanzler Séguier, der wegen der Ketten und Barrikaden aus seiner Karosse hatte steigen müssen und unvorsichtigerweise zu Fuß zum Gerichtshof ging.
    »Da kommt das Schwein von Kanzler«, schrie der Aufrührer mit Donnerstimme, »er will verhindern, daß man uns Broussel wiedergibt.«
    Obwohl die Anschuldigung völlig grundlos war, wurde sie geglaubt, die Menschen suchten einen Schuldigen. Und schon begann die Menschenjagd. Zum Glück fand der atemlose Kanzler Zuflucht im Hôtel de Luynes und versteckte sich in einem Wandschrank, und auf den Einfall, den zu öffnen, kamen die blutrünstigen Dummköpfe nicht.
    Enttäuscht, daß sie den armen Séguier nicht hatten totschlagen können, der in seinem unsicheren Versteck vor Todesängsten Blut und Wasser schwitzte, machten sich die Aufständischen über die Ziergegenstände her, die sie dort fanden. Wobei sie, wie Séguier angelegentlich bemerkte, reichere Beute hätten machen können, wenn sie den Wert derer gekannt hätten, die sie mitschleppten und die sie zurückließen. Diese Menschenjagd, bei der ums Haar ein Unschuldiger umgekommenwäre, versetzte mich in Sorgen um die Meinigen. Zum Glück erschien Nicolas, der auf meinem Gut Montfort l’Amaury von dem Fieber, das er sich in Perpignan zugezogen hatte, genesen war, mit seiner Frau Henriette und seinen Kinderchen wieder in der Rue des Bourbons. Er hatte nur nach großen Scherereien die Pariser Tore passieren können, die Aufrührer hielten sie verschlossen. Gewiß, die Königin hatte ihnen die Schlüssel von Paris übergeben, damit sie nicht in den Verdacht gerate, sie wolle aus der Hauptstadt fliehen, um eine königliche Armee gegen diese zur Belagerung herbeizuziehen. Doch war die Königin nicht umsonst ein Weib. Wohl hatte sie den Aufrührern die Schlüssel der Stadt ausgehändigt, zuvor aber hatte sie davon Doubles herstellen lassen, über die sie Tag und Nacht wachte. Unterdessen verzehrte mich, wie gesagt, die Sorge um die Meinigen, und ich wußte nicht, was ich tun sollte. Sie in meinem Hôtel in der Rue des Bourbons zu behalten war mir zu unsicher, sie aber zur Stadt hinauszuschicken noch weit mehr.
    Um nun genauer zu erfahren, auf welche Weise denn die Stadttore verschlossen gehalten und bewacht wurden, schickte ich meinen kleinen Laufburschen Lazarus an jenen Ort. Er sollte sich allein, mit einer angebrochenen Flasche meines Burgunderweins, zum nächstgelegenen Tor begeben. Die Komödie, die er spielen sollte, um das Vertrauen der Torwächter zu gewinnen, hatte ich mit ihm einstudiert. Der Schlingel, der ein geborener Komödiant war, begriff seine Rolle vortrefflich. Trotzdem ließ ich ihn nicht ohne Bangnis gehen, fürchtete ich doch, die Rohlinge könnten den Spion wittern und übel mit ihm umspringen. Und offen gestanden harrte ich in großen Ängsten seiner Wiederkehr.
    Lazarus strahlte, als er endlich wieder vor mir stand, übers ganze Gesicht, so als hätte er die siebzig Höllenteufel mit einem Schwertstreich erlegt. So aufgeregt er aber war, versäumte er indes nicht seine guten Manieren, und erst nach seinem

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