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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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»Nur eine halbe Stunde früher! Vielleicht… Allah stehe uns bei!«
    Draußen polterten plötzlich schwere Schritte die Steintreppen hinunter. Die Gefährten rannten hinaus. Sie sahen sich einer Rotte nach unten drängender Wachmänner gegenüber. Eine Art sich bewegender Wald aus hochgereckten Lanzen und Schwertern.
    »Zurück, wie wir gekommen sind!«, rief Jacques.
    Sie zogen sich in den dunklen Geheimgang zurück. Schulter an Schulter fochten sie um ihr Leben. Zunächst konnten sie den andrängenden Wachleuten standhalten, aber jedes Mal, wenn sie einen Feind ausgeschaltet hatten, sprang ein anderer in die Bresche. Sie spürten: Nicht mehr lange, und ihre Kräften würden erlahmen!
    Es ging Schritt für Schritt zurück. Die Wachleute hatten Fackeln geholt, um zu sehen, wohin der Fluchtweg führte. Offenbar kannten sie ihn nicht. Schon waren Joshua, Uthman und Jacques an der Stelle, wo der Fluchtweg abbog. Hier ließ es sich für einen Augenblick leichter verteidigen. Aber als es dann weiterging, jetzt wieder bergauf, hatten sie Mühe, nicht zu stürzen.
    Sich immer wieder umwendend, erblickten sie plötzlich das Ende des Ganges. Dort war es hell. Der Mond musste für einen Moment durch die kahlen Zweige der Bäume geleuchtet haben. Jetzt wurde es wieder dunkel.
    Joshua keuchte: »Wir müssen den Gang sofort verschließen. Schaffen wir das?«
    Uthman sagte mit fester Stimme: »Wenn wir die Schlusssteine sofort finden, dann ja. Jacques muss uns die Bewaffneten vom Leib halten.«
    Grimmig kam die Antwort von Jacques de Charleroi: »Und wenn es das Letzte ist, was ich tue!«
    Sie erreichten die geöffneten Quader. Die Form der liegenden arabischen Acht schien ihnen von drinnen her gesehen jetzt anders auszusehen. Und sie erkannten, dass es nur die obere, größere Hälfte war. Das musste wohl so sein, damit man die Mauer von innen nicht öffnen konnte.
    Sie sprangen ins Freie. Während Jacques die nachdrängenden Verfolger in Schach zu halten versuchte, liefen Uthman und Joshua zur Seite. Sie suchten die letzten Quadern, drückten mit der flachen Hand auf die Schriftzeichen – und die Wand schloss sich.
    Mit einem dumpfen Geräusch prallten die gezeichneten Quadern wieder aufeinander. In diesem Laut erkannten die drei Flüchtlinge die zufriedene Zustimmung der geheimnisvollen unbekannten Baumeister.
    Schwer atmend blickten sie sich um. Da sahen sie, dass ihre Pferde heranpreschten. Sean führte sie.
    »Wo ist Henri?«, rief er schon von weitem.
    »Wir müssen zum Fluss!«
    Sie schwangen sich in den Sattel. Von ihren Verfolgern war noch nichts zu sehen, denn sie mussten sich einen anderen Ausgang aus dem Donjon suchen, der wahrscheinlich im angrenzenden Flügel des Schlosses lag.
    So schnell sie konnten ritten sie einen kleinen Abhang hinunter und erreichten die Wasser nach zweihundert Metern.
    Und wer konnte ihr Glücksgefühl beschreiben, als sie plötzlich eine Gestalt wahrnahmen! Sie versuchte, ans Ufer zu steigen. Eine kraftlose Gestalt mit zerfransten Haaren und tropfnassen Kleidern, barfuß, in der Kälte zitternd.
    Alle vier sprangen von ihren Pferden. Sie zogen den zu Tode ermatteten Gefährten aus dem Ufergestrüpp. Joshua warf ihm eine Decke um. Uthman schickte ein Dankgebet zum Himmel.
    »Setzt ihn zu Sean auf den Schimmel. Wird das gehen? Kannst du dich halten, Henri?«
    »Wir sind immer zu zweit auf einem Pferd geritten«, flüsterte Henri de Roslin. »Adeo pauperes erant ut unum tantum equum haberent communem. Wir waren die armen Brüder Christi.«
     
     
    Guillaume Imbert war außer sich. Er hatte die Würde seines Amtes völlig vergessen und schlug mit der dreifach geknoteten Kordel, die er von seinem Habit gerissen hatte, auf die Wächter ein. Auch die Berater des Königshofes konnten es nicht fassen.
    »Wie konnte er entkommen! Ich habe mich nur eine einzige Nacht zur Ruhe begeben, und schon triumphieren Verrat und Unfähigkeit! Ich werde euch alle wegen Mittäterschaft hinrichten lassen! Und der Fluchtweg durch den Turm nach draußen? Warum kanntet ihr ihn nicht?!«
    »Die Erbauer des Donjon sind schuld, Montseigneur«, jammerte ein Wächter, der rote Striemen im Gesicht hatte. »Der Gang war ein Geheimnis. Niemand kannte ihn.«
    »Ich werde die Maurer alle der Ketzerei anklagen und verbrennen lassen! Ist die Inquisition in Frankreich etwa nicht mächtig genug, um ihre Feinde zu zermalmen?«
    »Wer waren die Erbauer dieses Turmes?«, fragte Enguerrand de Marigny, der Minister des getöteten

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