Der König muß sterben
unverzüglich zu handeln.
Er zählte die Verbrechen des Ordens auf, ohne das Allergeringste auszulassen.
Es waren die Tage der Schuld. Die Tempelritter wurden einer nach dem anderen verhaftet. Man las die Anklageartikel vor und versprach Vergebung, wenn sie die Wahrheit bekannten und zur Kirche zurückkehrten. Andernfalls wollte man sie mit der Folter und dem Tod auf dem Scheiterhaufen bedrohen.
Am nächsten Tag wurden in Paris die Lehrer der Universität und die Domherren in Notre-Dame versammelt, Guillaume Nogaret, der Prévôt von Paris, und andere königliche Beamte legten die Vergehen dar, welche den Templern nachgewiesen worden seien. Das Volk wurde aufgefordert, sich im Garten des königlichen Palastes zu versammeln, wo die Dominikaner und die königlichen Sprecher es über die Angelegenheit aufklärten.
Die Bevölkerung von Paris strömte am Sonntag zu Tausenden zusammen und staunte. Sie hatte den abgeschlossenen Templerorden, der wie ein Staat im Königsstaat war und dunkle Geheimnisse bewahrte, immer schon gefürchtet, aber jetzt sollte sie ihn von einem Tag auf den anderen verachten! Nur ganz langsam gelang es den Propagandisten des Königs, in einem fortgesetzten, schonungslosen Gerichtshof Abscheu in die Menschenherzen einzupflanzen.
Es war schwierig. Doch schließlich gelang es ihnen.
Die Tempelherren, ob hoch oder niedrig, sollten Verbrechen zu festen Ordensregeln erklärt haben. Sie sollten den Verrat Ludwigs des Heiligen um die Festung Akkon zugelassen und mit dem Sultan von Bagdad Abmachungen getroffen haben, ihm im Fall eines neuen Kreuzzugs alle Christen zu verkaufen. Sie sollten einen Teil des königlichen Schatzes aus dem Land geführt und dadurch dem Reich großen Schaden zugefügt haben. Sie trügen einen Ledergürtel auf der bloßen Haut, der die Macht habe, andere zu verhexen und im Irrglauben zu bestärken. Bisweilen werde ein Templer, der in diesem falschen Glauben gestorben sei, verbrannt und aus seiner Asche ein Pulver bereitet, das andere essen müssten. Wenn einem Templer von einer Jungfrau ein Kind geboren würde, so werde es geröstet, von seinem Fett eine Salbe gemacht und damit das in den Kapiteln angebetete Götzenbild gesalbt. Diesem Idol würden auch Menschenopfer ohne Zahl gebracht.
War es möglich, dass die Tempelherren solche Scheusale gewesen waren?
Schon gingen versiegelte königliche Briefe, die die Ketzerei in ihren Formen schilderten, an alle Fürsten der Christenheit. Und in den Kerkern von Paris unterzog Imbert mit seinen ganz persönlichen Gehilfen die einhundertachtunddreißig Gefangenen, die man mit Hilfe der Gens des Rois innerhalb einer Stunde aus dem Tempel hierher transportiert hatte, einer genauen Befragung. Sechsunddreißig starben gleich unter der schweren Folter. Acht machten ihrem hoffnungslosen Dasein ein Ende. Alle Überlebenden, bis auf drei standhafte Brüder, gaben die Anschuldigungen zu. Imbert verfügte über die Mittel dafür. Die Zangen glühten dreiunddreißig Tage lang im ständig entfachten Feuer.
Henri de Roslin befand sich am ersten Sonntag der Verhaftungen nicht im Tempel. Er saß mit dem Juden Joshua ben Shimon an der Seine und besprach die Mystik der Zahlen, von der der Jude alles wusste. Es war ein sonnenüberstrahlter und kalter Herbsttag im Oktober, ein schöner Tag für alle Geschöpfe Gottes, die ohne Schuld waren. Aber den Tempelrittern wurde dieser Tag verweigert.
Und als Henri von den Verhaftungen erfuhr, musste er von seinen noch in Freiheit befindlichen Brüdern zurückgehalten werden. Er wollte kämpfen und die Gefangenen heraushauen. Es wäre aber nur sein eigenes Verderben gewesen.
Die Gefangenen lagen, verteilt über ganz Paris, in dunklen, feuchten Kellern, in denen es nach Unrat und Tod stank. Weiße Würmer und Maden zogen im flackernden Schein rußender Kienspanfackeln ihre Bahnen durch das verfaulte Stroh und an den kalten Wänden entlang. Noch hofften die Männer, dass sie nicht gefoltert würden. Ein königlicher Beamter zeigte sich auf der Empore, hielt sich die Hand vor die Nase und versprach: »Ihr werdet nicht gefoltert.«
Aber dann brachten sie den gerade verhafteten Präzeptor von Zypern, Rainbaud von Caron, herein. Beim ersten Verhör hatte der Angeklagte nur zugegeben, dass ihm in Gegenwart seines Onkels, des Bischofs von Carpentras, gesagt worden sei, er müsse Christus verleugnen. Als sie ihn wieder holten, gestand er, dass er bei seiner Aufnahme in den Orden gezwungen worden sei, Christus zu
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