Der König muß sterben
entsagen und auf das Kreuz zu spucken. Als sie ihn das dritte Mal holten, sagte er, dass man ihn zur Befriedigung unnatürlicher Lust gezwungen habe.
»Hat man dich gequält, dass du solche unwahren Dinge erzähltest, Meister?!«, fragten mit entsetzten Blicken die Gefangenen, die sich um ihn scharten.
»Nein, meine Brüder!«, entgegnete der alte Präzeptor. Aber dabei zitterten seine bleichen Lippen. Und dann sahen sie das Blut, das an seinen Armen herablief. Und sie erblickten seine zerquetschte Hand.
»Brüder! Wir müssen der Tortur standhalten!«, rief einer. »Sonst ist es unser aller Untergang!«
»Aber wenn wir gestehen, lassen sie uns vielleicht frei!«, rief ein blutjunger Ritter. »Nur wenn wir schweigen, wird man uns foltern und mit dem Tod bedrohen!«
»Nein, so ist es nicht«, antwortete der alte Präzeptor schwach. »Sie wollen Geständnisse um jeden Preis. Und wenn sie diese haben, werden sie uns vernichten, egal, was wir gesagt haben. Es ist etwas in Gang gekommen, das nur teuflischen Ursprungs sein kann. Wir können es nicht verstehen und nicht aufhalten.«
»Die Brüder in Freiheit im ganzen Land werden uns befreien! Sie können doch nicht tatenlos zusehen, wie wir…«
Die junge Stimme brach ab und ging in Schluchzen über. Der alte Präzeptor tröstete den jungen Bruder mit leiser Stimme. »Sicher. Sie kommen und retten uns.«
Aber es klang hilflos. Und als die Kellertür knarrend aufschlug und die nächsten geholt wurden, da überfiel die Eingekerkerten das blanke Entsetzen.
Und während drinnen in den Verliesen das Grauen umging, die Eingekerkerten ohne Hoffnung, Zukunft und Nachricht von draußen dem Zugriff der Schergen ausgeliefert waren, begannen die in Freiheit befindlichen Tempelbrüder, Pläne zu schmieden.
Mit jedem Tag wurde ihnen klarer, dass die Schergen des Königs dem Orden die Köpfe abgeschlagen hatten. Darunter waren Gottfried von Charney, Präzeptor der Normandie, Guido Dauphin, höchster Beamter des Ordens, Gaucher de Liancourt, Präzeptor von Reims, Hugues de Pairaud, Visitator. Und in einer Einzelzelle, die als einzige Vergünstigung ein winziges Fenster besaß, durch die eine kalte, höhnische Oktobersonne einfiel, saß der Mann, der nach dem Fall der Stadt Akkon im Heiligen Land Großmeister des Ordens geworden war, Jacques de Molay. Er bebte vor Angst, denn man hatte ihm die Folterwerkzeuge schon gezeigt, und er wusste, das konnte er in seinem Alter niemals überstehen.
Die, die in Freiheit geblieben waren, schienen ratlos. Ohne ihre Meister konnten die Templer nicht handeln, denn unbedingter Gehorsam war ihre erste Pflicht. Nur wenige wagten überhaupt daran zu denken, dass sie jetzt selbstständig handeln mussten. Henri de Roslin versuchte, sie davon zu überzeugen.
Er organisierte das erste geheime Treffen der bisher verschonten Templer. Sie kamen im Nordosten der Stadt zusammen, dort, wo die Mühlbäche in die Seine flossen.
Der Anblick seiner Brüder zerriss Henri fast das Herz.
Sie waren zwölf. Eine kleine verschworene, aber aus der Bahn geworfene Gemeinschaft. Der jüngste Bruder war schon als Kind in den Orden eingetreten und hatte nun sein siebzehntes Jahr gerade erreicht. Henri versuchte, sie aufzurichten.
»Wir brauchen Zugang zu den Kerkern. Ich würde alles tun, um hineinzukommen! Haben wir nicht alle Reichtümer der Welt? Ich bin gerade dabei, unseren Schatz in Sicherheit zu bringen. Es muss möglich sein, damit die Wärter zu bestechen!«
»Aber auf eigene Faust dürfen wir niemals aktiv werden, das verletzt unsere Regeln!«
»Unsere Regeln sind außer Kraft, Bruder! Das gesamte Gefüge unserer Ordensgemeinschaft ist zerschlagen worden! Wir werden alle sterben, wenn wir nicht sofort handeln!«
»Aber wie sollen wir es anstellen?«
Henri begriff, wie schädlich es gewesen war, den Templern keine eigenen Entscheidungen zugestanden zu haben. Ohne Anführer wirkten sie völlig kraftlos. »Die meisten Gefangenen liegen im königlichen Kerker, ein paar in unserem eigenen Verlies des Tempels. Diese wenigstens sollten wir zu befreien versuchen, denn wir kennen uns in den Gemäuern aus. Es wäre ein erster Schritt und ein Fanal. Was meint ihr?«
Die anderen nickten düster. Zu mehr Zustimmung war keiner in der Lage.
»Ich werde es selbst versuchen. Obwohl die Gefahr, dass mich jemand erkennt, natürlich groß ist. Aber es wird mir gelingen. Wer begleitet mich? Ich benötige zwei unerschrockene Männer!«
Sie meldeten sich alle. Henri wählte
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