Der König von Berlin (German Edition)
Kopf. «Um Gottes willen, der wurde uns nicht spendiert, den haben meine Kollegin Sabine Fellner und ich selbst gekauft und ins Büro gestellt. Aber das war die beste Investition unseres Lebens. Seitdem kennt und mag uns das ganze Präsidium, sämtliche Abteilungen. Deswegen hab ich ja überhaupt nur von dieser Geschichte erfahren, weil Herr Kolbe sich bei uns einen Kaffee geholt hat. Falls ich tatsächlich mit in Ihrem Team, also Ihrem Büro arbeiten sollte, werden wir als Erstes einen Vollautomaten hier reinstellen. Sie werden staunen, wie schnell wir der soziale Mittelpunkt der Abteilung sind. Alle werden uns lieben und besuchen, und wir werden über alles unterrichtet sein.» Lachend stellte sie den Stuhl in den Flur, winkte keck über die Schulter und federte den Gang hinunter.
Lanner schaute ihr nach, bis sie um die Ecke war. Dann trat er zurück in sein Kabuff, schloss die Tür und ließ sich in den Schreibtischsessel fallen. Konnte es wirklich so einfach sein? Während er verzweifelt überlegte, wie er im Alleingang einen richtig großen Fall aufklären könnte, möglichst unter Gefahr, um dann endlich die angemessene Anerkennung zu erhalten, stellten sich diese Damen einfach einen Kaffeeautomaten ins Büro. War das die ominöse weibliche soziale Intelligenz, dank der sie mit vergleichsweise geringem Aufwand allseits gemocht und sehr gut informiert wurden? Würden Frauen tatsächlich, wenn sie am Ruder wären, keine blutigen Kriege führen, sondern Konflikte mittels Kaffeemaschinen lösen? Und war das am Ende auch für ihn eine Möglichkeit?
Aber nein, so leicht konnte und wollte er es sich nicht machen. Es reichte ihm nicht, gemocht zu werden. Man sollte ihn schon auch bewundern! Oder zumindest sollte sich niemand mehr trauen dürfen, respektlos zu sein. Und dazu musste er eben einen großen Fall lösen. Und zwar im Alleingang, weil es sonst am Ende nur zu Streit über die Verteilung des Ruhms käme. Deshalb arbeitete er lieber und besser allein. Obwohl – im Machallik-Fall hatte er Georg mit ins Boot geholt, sogar von sich aus. Aber der zählte nicht so richtig. Mit Georg zusammenzuarbeiten war ja quasi wie Alleingang. Und die Markowitz? Er würde natürlich dafür sorgen, dass ihre Leistung die angemessene Würdigung erführe. Aber vorerst war es das Beste, wenn er die Fäden in der Hand behielt. Auch für sie. Er würde ihr das später einmal in Ruhe erklären.
M ax Machallik war kurz weggedöst. Passierte ihm seit ein paar Wochen immer häufiger, dass er tagsüber einfach so wegdöste. Leider nicht nur im Büro. Da war es kein Problem. Aber er döste auch im Restaurant oder im Taxi weg, neulich sogar in der Umkleidekabine eines Kaufhauses. Das war wirklich peinlich gewesen. Erst hatte die Verkäuferin vor der Kabine gewartet, dass er mit dem anprobierten Anzug wieder rauskäme. Nach einiger Zeit hatte sie bemerkt beziehungsweise gehört, dass er eingeschlafen war, wollte ihn aber aus Höflichkeit nicht wecken, bis er dann richtig laut geschnarcht hatte und sie sich gezwungen sah, einen Kollegen zu holen.
Dieser Kollege war ausgerechnet der Geschäftsführer, der alte Schrader, ein Freund seines Vaters, und der hatte ihn, Max Machallik, schnarchend und in Unterhosen in der Umkleidekabine aufgefunden! Obwohl Schrader ihm lächelnd versicherte, diese delikate Angelegenheit absolut vertraulich zu behandeln, wusste bereits am Abend sein Bruder davon, am nächsten Tag der gesamte Bekanntenkreis.
Doch das war noch gar nichts im Vergleich zu dem Fauxpas, der ihm jüngst auf dieser Pressekonferenz unterlaufen war. Ein Riesentermin, eine Konferenz speziell zur Rattenplage, mit Bürgermeister, Innensenator, Polizeipräsident und allem Pipapo – und er nickt auf dem Podium ein! Schläft tief und fest während der Rede des Bürgermeisters. Oh, was war das für ein Geschenk für die Berliner Presse! Auf allen Zeitungen prangte riesig sein Foto, wie er selig schlummerte. Und daneben witzige Kommentare oder Bildunterschriften: «Die mitreißende Rede unseres Bürgermeisters», «Berliner Aufbruchsstimmung!», «Erste Reaktionen auf die Vorschläge des Bürgermeisters» und «Dieser Mann soll uns von den Ratten befreien». Seitdem kannte ihn die ganze Stadt als den schlafenden Rattenjäger, und der Bürgermeister hasste ihn.
Er war dann zum Arzt gegangen, weil er fürchtete, dass es vielleicht so eine Art Burnout sei, diese ständige Müdigkeit, das permanente Wegdösen. Aber der Arzt hatte abgewunken. Seiner
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