Der König von Berlin (German Edition)
Lanner die Stille bemerkte, erschrak er kurz, um sich dann erneut mit dem bewährten «Hammer!» zu retten.
Markowitz war zufrieden: «Allerdings: Hammer! Und ich weiß auch genau, was Sie jetzt denken.»
Darauf war Lanner nun doch gespannt. Er hatte bislang eigentlich nur darüber nachgedacht, ob er im Büro wohl noch irgendwo Kopfschmerztabletten hatte, nun freute er sich richtig, zu erfahren, was er sonst so dachte.
«Sie denken», verriet sie ihm, «wie kann ein einzelner Mensch derart viel schreiben?»
Beeindruckend. Lanner musste zugeben, dass das wirklich etwas war, was er ohne weiteres hätte denken können.
«Die Antwort findet sich hier.» Markowitz drehte den Laptop zu ihm. Was Lanner sah, war ein weitverzweigtes Diagramm mit verwirrend vielen Kästchen, Kreisen, Spalten und Fenstern. «Ich habe das Prinzip noch nicht verstanden», fuhr Markowitz fort, «erst recht nicht die Einzelheiten und die genaue Funktionsweise. Aber alles deutet darauf hin, dass das hier eine Art Baukastensystem ist. Eine Gussform, wenn nicht sogar ein Computerprogramm zum Schreiben von Büchern. Es gibt sechs verschiedene Bausatzmodelle. Zumindest habe ich bisher sechs gefunden. ‹Krimi/Reihe›, ‹Krimi/einzeln›, ‹Unterhaltung/Liebe›, ‹Unterhaltung/Humor›, ‹Ratgeber/Sachbuch› und ‹Memoiren/Sachbuch›. Das sind die Titel, die Kaminski ihnen gegeben hat. Mit diesen Programmen hat er offensichtlich in kürzester Zeit unzählige Bücher fabrizieren können. Außerdem gibt es noch ein siebtes, allerdings deutlich anders aufgebautes Programm – für Promotionen. Wenn wir den USB-Stick mit den entsprechenden Doktorarbeiten finden, könnte diese Geschichte sogar noch eine politische Dimension bekommen … Jedenfalls war das Ganze ein hochlukratives Geschäft, an dem viele Leute ziemlich gut verdient haben dürften. Bei uns in der Wirtschaft gehen bei so was die Lichter an.»
Dieser Satz wiederum wirkte auch auf Lanner so, als habe jemand im sanften Dämmerlicht seines Hirns plötzlich einen 1000-Watt-Deckenfluter angeknipst. Wie nach einer abrupten Notanschaltung fuhr er schreiend hoch: «Heißt das, die Wirtschaftskriminalität will den Fall an sich reißen?»
Markowitz schüttelte genervt den Kopf. «Natürlich nicht. Aber wir könnten doch zusammenarbeiten. Auch ist noch lange nicht gesagt, dass Kaminskis Tod überhaupt etwas mit seiner Tätigkeit als Ghostwriter zu tun hat.»
Beruhigt sank der Hauptkommissar wieder in seinen Ruhepuls zurück und trank den letzten Schluck Kaffee. «Ist das denn eigentlich illegal, also, als Ghostwriter zu arbeiten?»
«Im Fall der Promotionen schon, bei den Romanen und Sachbüchern aber nicht. Natürlich wäre der Ruf der vermeintlichen Autoren ruiniert, wenn das Ganze rauskäme.»
«Da wäre also durchaus ein mögliches Mordmotiv. Vielleicht hat Kaminski jemanden erpresst.»
«Vielleicht. Andererseits, Herr Kolbe hat mir auch von den Zehntausenden von Euros erzählt, die in der ganzen Wohnung rumlagen. Das sieht mir doch eher nach jemandem aus, dem Geld nicht so wichtig war.»
Lanner schluckte. Über das Bargeld hatte Kolbe also auch geredet. Die Vertraulichkeit von Ermittlungsergebnissen schien ihm völlig gleichgültig zu sein, er hatte keinen Respekt vor dem Fall beziehungsweise vor dem die Untersuchungen leitenden Kommissar. Lanner versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, und schwenkte bemüht in einen professionellen Ermittlungsmodus ein. «Genau, das viele Bargeld. Wahrscheinlich ist er immer cash bezahlt worden, um keinerlei Spuren in den Verlagen oder bei den vorgeblichen Autoren zu hinterlassen.»
«Das würde Sinn ergeben. Vielleicht hatte er auch am Tag seines Todes viel Bargeld bei sich. Vielleicht war es ein schlichter Raubmord.»
«Unwahrscheinlich, man hat ja Portemonnaie, Schlüssel und Handy bei ihm gefunden. Auch hat niemand versucht, in die Wohnung einzubrechen …» Lanner hielt kurz inne, um sich das zentrale Problem des Falls zu vergegenwärtigen: «Nein, nein, die große Frage, also das große Rätsel ist: Warum hat niemand sein Verschwinden bemerkt? Ich meine, bei seinem gewaltigen Auswurf müssen doch einige Verlage oder Autoren auf dem Trockenen gesessen haben.»
Carola Markowitz machte auf ihrem Stuhl vor Freude einen kleinen Hüpfer. «Genau darüber habe ich letzte Nacht auch nachgedacht, und ich habe sogar schon ein bisschen recherchiert. Da ist zum Beispiel die Bachinger-Reihe, mit diesem Torten-Kommissar in der Rhön, wo jeder Fall
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