Der König von Berlin (German Edition)
vertrauliche Beweismaterial zu dem Fall, zu meinem Fall? Und jetzt sitzt diese Kommissarin auch schon in meinem Büro, auf einem Stuhl, den sie gleich selbst mitgebracht hat, und spricht über unseren Fall?»
Carola Markowitz atmete hörbar enttäuscht aus. «Ach, Herr Kolbe hat mir schon gesagt, dass Sie wahrscheinlich so reagieren würden. Er meinte aber, ich solle Sie daran erinnern, dass Sie ihm ausdrücklich befohlen hätten, Ihnen so schnell wie möglich alle verfügbaren Informationen zum Kaminski-Fall zu beschaffen. Am besten noch heute Morgen.»
Wenn es etwas gab, was Lanner zu einem wirklich umfassend beschissenen Morgen fehlte, dann war es eine weitere Breitseite gut abgehangener Kolbe-Logik, selbst wenn sie aus dem Munde einer hübschen jungen Frau statt aus Kolbes Medizinballkopf kam. Da ihm keine sinnvolle Erwiderung einfiel, bellte er nur: «Ja und?»
Carola Markowitz blieb ruhig. «Ich bin diejenige, die Ihnen diese Informationen beschaffen wird, und zwar schnell.» Sie nahm einen Schluck Kaffee. Dass der ihr leicht die Zunge verbrannte und in der Kehle schmerzte, ließ sie sich nicht anmerken, sie hielt Lanners Blick selbstbewusst stand.
«Trotzdem kann es nicht angehen, dass Kolbe Sie eigenmächtig in die Ermittlungen holt. Das ist mein Fall, und ich treffe hier die Entscheidungen.»
«Selbstverständlich, deshalb habe ich bislang ja nur Herrn Kolbe unterstützt, also im Rahmen der Spurensicherung Daten gesichert und ausgewertet. Aber jetzt dachte ich, es wäre sinnvoller, wenn wir direkt zusammenarbeiten, ohne den Umweg über Herrn Kolbe nehmen zu müssen. Ich hatte gehofft, das wäre auch in Ihrem Sinne.»
Die Müdigkeit, die schon den ganzen Morgen ziellos durch Lanners Hirn schlich, schien sich nach diesem kurzen Argumentationsfeuerwerk nun feste Plätze sichern zu wollen und begann quasi, Handtücher auf Lanners Hirnzellen zu legen. Da er keine Lust auf weitere Niederlagen hatte, beschloss er, Markowitz einfach mal ihr Blatt spielen zu lassen. «Was genau haben Sie denn herausgefunden?»
Die junge Polizistin nickte erfreut und holte einen Laptop aus einer Tasche, die offenbar schon die ganze Zeit neben dem Schreibtisch gestanden hatte. «Also, das ist wirklich der absolute Hammer. Ich habe natürlich noch längst nicht alles lesen können, bin aber überzeugt, dass wir es hier mit einer Sensation zu tun haben.» Sie vergewisserte sich, dass der Laptop auch startete, dann fuhr sie fort: «Die handschriftlichen Notizen und die vielen Ausdrucke sind nur die Spitze des Eisbergs. Auf den beiden Computern war so gut wie nichts zu finden, aber auf den über zweihundert USB-Sticks, die wir in der Wohnung fanden, sind derartige Textmassen gespeichert, da kann einem ganz schwindlig werden.»
Schwindlig war Lanner ohnehin schon. Er begriff, wie schwer es werden würde, dieser komplizierten Geschichte aufmerksam zu folgen. Hatte das überhaupt Sinn? Sollte er sich nicht einfach ein bisschen was erzählen lassen und dabei vor sich hin dösen? Dann würde er wenigstens den Kaffee genießen können. «Sie meinen also», versuchte er eine Interesse vortäuschende Zwischenfrage, «er hat Tausende von Büchern eingescannt?»
Carola Markowitz musterte ihn irritiert. «Nein, natürlich nicht Tausende, aber gut zweihundert. Und», sie beugte sich ein Stück nach vorne, «diese Werke hat er nicht eingescannt.» Sie machte eine Theaterpause und senkte die Stimme bis an den Rand des Flüsterns: «Er hat sie geschrieben.»
Nun war die Bombe geplatzt, sie lehnte sich zufrieden zurück, horchte der Explosion nach und wartete auf Lanners Reaktion. Der sagte nichts. Einige lange Augenblicke vergingen. Als Lanner endlich begriff, dass er jetzt dran war, geriet er in leichte Panik und befreite sich mit einem: «Hammer!»
Das reichte, um Carola Markowitz wieder in Gang zu werfen. «Ganz genau, das hab ich auch gedacht. Hammer. Kaminski hat als Ghostwriter gearbeitet und in den letzten zehn Jahren gut zweihundert Bücher geschrieben. Ein Viertel davon war auf der Bestsellerliste. Krimis, Unterhaltungsromane, Promiautobiographien, Kochbücher oder seltsame Selbsthilfebücher von Fernsehberühmtheiten. Quer durch den Garten. Der hat alles geschrieben. Es sind sogar Reihen dabei. Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann haben einige ziemlich erfolgreiche Autoren ihre Werke nicht selbst verfasst, sondern höchstens in groben Zügen entworfen oder am Ende ein bisschen überarbeitet.»
Sie machte wieder eine Pause. Als
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