Der König von Berlin (German Edition)
Markowitz schützte sie mit seiner Wachfirma, während auf allen anderen Baustellen ständig Materialien gestohlen wurden, kleinere Unfälle passierten oder es zu sinnlosem Vandalismus kam. Das Bauunternehmen expandierte, und irgendwann war Maschmann dermaßen mächtig geworden, dass er Machallik und seine Ratten eigentlich gar nicht mehr brauchte. Auch auf Markowitz wäre er wohl nicht mehr angewiesen gewesen. Trotzdem fürchtete er die beiden. Er wusste, würde Machallik die Ratten auf seine Baustellen hetzen oder Markowitz ihm seine Gunst entziehen, würde er genauso schnell, wie er aufgestiegen war, auch wieder untergehen. Doch diese Gefahr bestand nicht. Berlins MaMMa sorgte gut für sich und die Stadt. Machallik hatte längst Verträge mit dem Berliner Senat. Die Stadt versicherte sich praktisch bei Machallik gegen Rattenplagen. Eine Übereinkunft, an der sich im Prinzip bis heute nichts geändert hat. Von einer angeblichen Senatsstelle erhalten sämtliche Berliner Kammerjägerfirmen einigermaßen gerecht verteilt Rattenbekämpfungs-, Vergiftungs- oder manchmal auch Fütterungsaufträge. In Wahrheit aber wird dies alles irgendwie von der Firma Machallik koordiniert und kontrolliert.»
Rimschow stand plötzlich auf und holte hinter den Büschen eine Tüte hervor. Er griff tief hinein, und seine Hand kam mit einem halben Laib Brot wieder hervor. Er brach ein Stück ab und reichte es Lanner. «Hier, Sie übernehmen die Schwäne, ich die Enten. Aber schön klein zubbeln und möglichst weit rauswerfen. Ich will nicht, dass die ans Ufer kommen.»
Gemeinsam gingen sie ans Wasser. Mit einiger Mühe riss Lanner kleine Stückchen vom alten Brot und warf sie den Schwänen zu. «Woher wissen Sie das alles?»
«Irgendwann hat Machallik durch Zufall Willy Brandt kennengelernt und eine Nacht mit ihm durchgesoffen. Die beiden müssen richtig um die Häuser gezogen sein, haben in puncto Alkohol und Frauen nichts ausgelassen. Machallik hat Brandt wohl als Seelenverwandten gesehen und war fest davon überzeugt, dass dieser Mann, der ihm, dem großen Erwin Machallik, so ähnlich war, der einzig würdige Regierende Bürgermeister für Berlin sei. Also ist er zur Berliner SPD und hat denen die Pistole auf die Brust gesetzt. Sollten sie Willy Brandt nicht zu ihrem Spitzenkandidaten machen, dann würde er Berlin mit einer furchtbaren Rattenplage überziehen und hinterher dafür sorgen, dass die ganze Stadt wisse, wer dafür die Verantwortung trage: ‹Wer ist schuld an all den Ratten? Die Sozialdemokraten! Die Sozialdemokraten!› Die Berliner SPD traute ihm all das wohl ohne weiteres zu. Niemand sträubte sich nun noch wirklich gegen Willy Brandt als Nachfolger von Otto Suhr. Der Rest ist Geschichte. Dieses Prinzip der politischen Einflussnahme der MaMMa und von Machallik im Speziellen hat sich bis vor kurzem gehalten. Im Laufe der Jahre wurde es immer weiter verfeinert und gefestigt. Was meinen Sie, warum der neue Flughafen ausgerechnet Willy-Brandt-Flughafen heißt?»
Lanner klingelten die Ohren. «Die Berliner MaMMa. Unglaublich, aber Sie haben mir immer noch nicht gesagt, woher Sie das alles wissen.»
Rimschow nickte. «Alle drei MaMMas hatten zu jeder Zeit sehr gute Kontakte in den Osten, insbesondere nach Polen. Dreimal dürfen Sie raten, mit wem Willy Brandt beim Um-die-Häuser-Ziehen über die Ostpolitik nachgedacht hat. Auf alle Fälle war auch die Beihilfe zur Republikflucht eine Unterunternehmung der MaMMa. Da kamen wir ins Spiel. Anfang der achtziger Jahre sollte ein junger, seelisch gebrochener Volkspolizist alles über die drei Männer und ihren Werdegang herausfinden.»
«Sie? Sie jagen diese Männer also schon Ihr Leben lang?»
«Ich habe sie nie gejagt. Ich sollte nur eine Akte erstellen. Die wurde allerdings schnell derart umfangreich und interessant, dass sie mir wahrscheinlich eine steile Karriere ermöglicht hätte.»
«Aber?»
«Na was aber. Der Mauerfall. Die Akte hatte ich für die Stasi erstellen müssen, dadurch war ich nach der Wende raus aus der Nummer. Aus allen Nummern.»
«Was haben Sie gemacht?»
«Ich stand vor dem Nichts. Ein mittlerweile sehr erfolgreicher Kommissar, der aber auch für die Stasi gearbeitet hat. Mit so einer Bewerbungsmappe konnten Sie höchstens noch Parkplätze bewachen, von 23 Uhr bis 6 Uhr früh.»
«Und, was haben Sie gemacht?»
«Den Parkplatz der Keksfabriken in Tempelhof bewacht.»
«Aber Sie kamen dann doch wieder zur Kripo.»
«Ja, auf einmal kriegte ich
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