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Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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Mann immer noch irgendwie distinguiert aus. Wie ein polnischer Graf, dachte Toni.
    «Da oben uffe Bank hat er immer jesessen. Anner heißesten Stelle vonne Sauna. Dit war ihm ja janz wichtig. Dass er an der heißesten Stelle sitzt. Machallik, die alte, coole Sau.» Maschmann lachte dröhnend.
    Erstaunlich, dachte Toni, wie die Sprache eines Mannes sein Aussehen verändern kann. Das wechselte nun nämlich vom polnischen Grafen zum preußischen Offizier.
    «Wobei, die Söhne haben sich mit die billigen Plätze da unten zufriedenjejeben, aber die sind ja heute wohl leider verhindert.» Wieder lachte er, und diesmal stimmten einige der anderen ein. Plötzlich jedoch verschwand das Lachen aus Maschmanns Gesicht. Beinah brutal schaute er Toni an. «Und, Herr Karhan? Wo sortieren Sie sich ein? Welchen Platz wählen Sie?»
    Toni verzog keine Miene. «Ich stehe.»
    Wieder war es still, wie nach der Begrüßung des Bürgermeisters, weshalb dieser sich nun wohl auch in der Pflicht sah. «Aber, aber, meine Herren. Jetzt entspannen Sie sich doch. Es ist für uns alle eine anstrengende Zeit, aber heute war wirklich mal ein guter Tag. Das war ein hervorragender Auftritt auf der Pressekonferenz, Herr Karhan. Von Ihnen und auch von Ihrem Kollegen, dem Herrn Wolters. Wenn es mal nicht mehr so läuft mit dem Rattenjagen, würden Sie auch passable Politiker abgeben, was?» Er schaute beifallheischend in die Runde, bekam jedoch keine Reaktion.
    Toni wurde es zu heiß, er wollte so schnell wie möglich wieder raus, also kam er einfach zur Sache: «Hab ich gefunden Lösung für Rattenproblem. Vielleicht.»
    «Aber das ist doch wunderbar. Warum dann so ernst?»
    «Mit Lösung ich habe auch gesehen wahre Größe von Problem. Problem ist sehr groß. Viel größer als gedacht. Nicht gut.»
    «Was heißt das?»
    «Vielleicht wir reden besser unter vier Augen.»
    Sofort machte sich bei den anderen Unmut breit. Dr. Kersting ergriff aus dem allgemeinen Gegrummel heraus das Wort. «Nu machen Sie sich mal nicht ins Hemd, Herr Karhan. Sie können ganz offen reden, wir haben hier nämlich keine Geheimnisse. Sie befinden sich direkt im Gehirn dieser Stadt.»
    Das hab ich immer befürchtet, dachte Toni. Im Gehirn dieser Stadt ist es also heiß, stickig, schlecht beleuchtet, und es stinkt nach alter Mann. Mit Pfefferminzaufguss. Wenn das das Gehirn der Stadt ist, dann möchte man ja kein Gedanke sein. Das erklärte vieles. Außerdem, dachte Toni noch, war der Satz ‹Wir haben hier keine Geheimnisse› wahrscheinlich der am meisten gelogene Satz in dieser Stadt seit über fünfzig Jahren, also seit mal niemand die Absicht hatte, eine Mauer zu bauen. Wobei es in der nach oben offenen Verlogenheitsskala vermutlich noch andere gutplatzierte Sätze gab. «Wir wechseln mehrmals täglich unser Frittenfett!» zum Beispiel.
    Bürgermeister Koppelberg versuchte, ein weiteres Mal zu vermitteln. Irgendwie schien er das für seine Aufgabe zu halten, die Interessen, Meinungen und Aggressionen in diesem Raum, dem muffig riechenden Gehirn der Stadt, zu moderieren. «Also, Herr Karhan, bei allem Respekt vor Ihrer fachlichen Kompetenz und Ihrer offensichtlichen Sorge um diese Stadt, die ich natürlich teile – Sie müssen doch auch mal die Tatsachen sehen. Den ganzen Tag schon ist praktisch Ruhe. Es ist wie ein Wunder. Seit unserer Pressekonferenz haben die Rattenangriffe vollkommen aufgehört. Es ist, als ob die Tiere Schiss vor Ihnen hätten und allesamt die Stadt verlassen haben. Die Abendnachrichten preisen Sie …»
    «… und den Bürgermeister.» Der Innensenator assistierte und bekam dafür ein Lächeln.
    «Genau das macht mir Sorge.» Toni merkte, wie seine Poren sich öffneten und der Schweiß zu laufen begann. «Sie wissen, wie funktioniert Tsunami? Zuerst Meer geht weg. Verschwindet praktisch. Dann kommt zurück mit unvorstellbarer Wucht.»
    Koppelberg starrte ihn mit offenem Mund an. Polizeipräsident Breissing schaltete sich ein: «Wollen Sie damit etwa sagen, Berlin erwartet einen Ratten-Tsunami?»
    Toni zuckte die Schultern. «Ist nicht gut, aber möglich.»
    Der Bürgermeister erhob sich. Jetzt erst fiel Toni auf, wie klein er war. Wahrscheinlich trug er sonst extrahohe Absätze. So wie dieser ehemalige französische Präsident mit der berühmten Frau oder dieser Schauspieler, der bei dieser Sekte war. Hier in der Sauna halfen dem kleinen quirligen Mann mit der Louis-de-Funès-Physiognomie solche Tricks aber natürlich nicht. Wenn er auf Toni

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