Der König von Berlin (German Edition)
Markowitz zuging. Er war im Gegenteil geradezu beängstigend ruhig.
«Setzen Sie sich doch zu uns an den Stammtisch. Da ist am meisten Platz.»
Markowitz versuchte, genauso ruhig zu sein. Es gelang ihr aber nicht. Sie ärgerte sich maßlos über das leicht schrille Vibrato in ihrer Stimme, als sie antwortete: «Mein Kollege wird jeden Moment eintreffen. Wenn hier alles verrammelt ist, wird er sicher Verstärkung anfordern.»
«Na, isch denke», sagte der Drahtige mit heiser-krächzender Stimme, «zuerst wird der sischer Ihren Wagen bemerken, und denne ruft der doch erst mal auf Ihr Handy an. So würd isch dit zumindest erst mal machen.»
Trotz aller Unruhe registrierte Markowitz, wie ein einziger gesprochener Satz jegliche Attraktivität pulverisieren kann. Sie war beinah dankbar, dass der Wirt mit seiner warmen, tiefen Stimme wieder übernahm.
«Sie müssen keine Angst haben. Zumindest grundsätzlich nicht. Wir haben eigentlich nicht vor, Ihnen irgendetwas anzutun. Auch Ihrem Kollegen nicht, falls er noch kommt.»
«Beziehungsweise falls es den denn überhaupt auch irjendwie jibt im eigentlichen Sinne», fügte der Drahtige hinzu.
Hätte sie nicht solche Angst gehabt, wäre Markowitz vermutlich amüsiert gewesen. Mit seiner seltsamen Art zu reden entspannte der Drahtige auch die Situation. Andererseits, wer bereit ist, so mit der Sprache zu verfahren, dem traut man auch sonst manche Skrupellosigkeit zu.
«Wir haben nur abgeschlossen, um sicher zu sein, nicht gestört zu werden», sagte der Wirt. «Denn das, was wir Ihnen zu erzählen haben, geht hier im Ort niemanden etwas an.»
«Aber escht nisch», ergänzte der Drahtige.
Um ihre Bereitschaft zum Zuhören zu signalisieren, setzte sich Carola Markowitz auf.
«Wollen Sie nicht doch zu uns an den Stammtisch kommen?», fragte der Wirt.
«Ich höre Sie auch von hier sehr gut.»
Langsam gewann Markowitz die Kontrolle über sich und die Situation zurück. Zu ihrer Überraschung ergriff nun aber der dickere der beiden bislang schweigenden Männer das Wort.
«Gehen wir recht in der Annahme, dass Sie wegen des Todes von Herrn Kaminski hier sind?»
Diese Formulierung hatte sie seit der letzten «Was bin ich?»-Sendung mit Robert Lembke nicht mehr gehört. Sie war gespannt, ob jemand bei ihrem ersten «Nein» fünf Mark in ein Sparschwein werfen würde. Vorerst jedoch nickte sie einfach.
«Und Sie wissen vermutlich bereits, dass er hier in diesem Lokal war, kurz bevor er starb?»
So genau hatte Markowitz das nicht gewusst, aber sie entschloss sich, einfach mal weiter zu nicken.
«Und jetzt wollen Sie gern wissen, was geschehen ist, in jener Nacht am dritten April?»
«Das wäre sehr schön.» Markowitz bemühte sich, entspannt und nicht ungeduldig zu wirken, was ihr sogar leidlich gelang.
«Also gut», übernahm der Wirt wieder, dem die Einleitung seines Freundes wohl zu ausschweifend war, «wir haben beschlossen, Ihnen alles, die komplette Geschichte dieser Nacht, aufrichtig zu erzählen. Aber dafür müssen Sie versprechen, uns zu helfen.»
«Wie kann ich Ihnen denn helfen?»
«Das werden Sie schon sehen, wenn Sie unsere Geschichte kennen.»
«Aber ich kann Ihnen doch keine Hilfe versprechen, wenn ich noch gar nicht weiß, wie, wobei und warum.»
«Doch, das können Sie. Es reicht, wenn Sie Ihre gute Absicht bekräftigen. Und für Sie wäre das auch besser.»
Erwartungsfroh blickten die vier Männer zu Carola Markowitz. Nach rund fünf Sekunden hielt der Drahtige die Spannung nicht mehr aus und konkretisierte noch mal das Angebot: «Weil, wir hamm nämlich beschlossen, dass wir Sie vertrauen. Verstehn Sie? Weil, wir hamm Sie hier beobachtet und denn inne Küche noch mal bequatscht und haben jetzt einfach mal beschlossen, Sie sind wahrscheinlich nich verkehrt, also quasi vertrauenswürdig, weil, mit Sie kann man reden. Zumindest mal probieren wollen wir das.»
Markowitz dachte kurz nach und sortierte die Worte des kleinen Mannes, bis sie für sie einen Sinn ergaben. «Also wenn ich Sie richtig verstanden habe, erklären Sie sich bereit, mir alles über den Tod von Herrn Kaminski zu erzählen, und als Gegenleistung wollen Sie dann von mir, dass wir gemeinsam überlegen, wie Sie zwar legal, aber doch so glimpflich wie möglich aus der Sache rauskommen.»
Die vier Männer nickten ihr aufgeregt zu.
Carola Markowitz erhob sich und ging gemessenen Schrittes zum Stammtisch hinüber. Nachdem sie sich zu den Männern gesetzt hatte, sagte sie beinah
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